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Aktuellstes mit alten Puppen

erschienen am 18.10.2018 von Arnim Bauer bei Ludwigsburger Kreiszeitung

„Lärm“ machte das Ensemble Materialtheater schon einmal, im Jahre 2012, als es diese Parabel von Alberto García Sanchez auf die Bühne des Fitz brachte. Es ging damals schon um zwei Modelle der Gesellschaft, hier das autoritäre, gewinnorientierte und dort das soziale, kooperative, von Achtung für andere und anderes geprägte. Gespielt wurde damals vor allem von menschlichen Darstellern, den Hintergrund bildete eine Sage aus der griechischen Mythologie, nach der Europa, von Zeus verführt, zwei Kinder zur Welt bringt: Annabelle und Archibald. Zwei ungleiche Geschwister. Die Unterschiede zeigen sich massiv, als die beiden ein Puppentheater geschenkt bekommen. Annabelle will die Puppen dirigieren, disziplinieren, Archibald will Solidarität und Fantasie. Ein wüster Kampf beginnt.

Und der Zufall wollte es, dass das Materialtheater auf einen Fundus alter böhmischer Stabmarionetten stieß, also sozusagen selbst ein Puppentheater geschenkt bekam. Was tun mit diesem Schatz aus einem staubigen Wandschrank, in einen Sack verpackt, der da gehoben und gerettet wurde? Nun, da sich an den Verhältnissen in Europa nicht viel geändert hat seit der Inszenierung von „Lärm“, die autoritären Strukturen, die Unterdrückung im Gegenteil eher gewachsen sind, die Modelle des Zusammenlebens immer weiter auseinanderdrifteten, bot es sich an, eine neue Fassung des Themas anzugehen – mit den alten, verwitterten böhmischen Holzköpfen unter dem neuen Titel „Puppen machen: Lärm“.

Mit denen wurde nun eine weitere Ebene geschaffen. Noch immer sind Annabelle und Archibald Menschen, sind auch Schauspieler als Puppen aktiv, aber nun kommt die Ebene der wahren Puppen ins Spiel. Annabelle lässt sie wegschließen, Archibald lässt ihnen freien Lauf. Dazwischen die Menschenpuppen, die lernen müssen, nach ihren eigenen Gedanken zu leben, sich nicht unterjochen zu lassen. Fast naiv und einfach, ja fast ein wenig banal kommt diese Parabel daher, in der sich Annabelle, nachdem sie vertrieben ist, im neuen Gewand wieder heranwanzt, aber am Ende doch immer die alte geblieben ist. So wie auch derzeit das Gestrige wieder fröhlich Urständ feiert, das, was das Land schon einmal ins Verderben stürzte, fröhlich grölend wieder durch die Gassen zieht. So kann man dieses Stück fast schon mit Sorge, ja mit Angst betrachten.

Daran ändert auch nichts, dass es jede Menge hübscher Einfälle gibt, die das Spiel sehr lebendig machen, die zunächst in eine Märchenwelt führen. Aber wer sich einlullen lässt, dem droht ein unschönes Erwachen. Denn nach zwei Stunden unterhaltsamen Theaters, das stellenweise die derb-schmucke Ursprünglichkeit der alten Puppen als Schönheit übernimmt, bleibt ein zwiespältiges Gefühl. Denn das Stück selbst macht Spaß, auch wenn nicht alle Puppenspieler ebenso als Schauspieler überzeugen können. Seine Bedeutung aber besteht.

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