Sigrun Kilger und Annette Scheibler sind die originellsten Figurenspielerinnen Stuttgarts. Aber was taugt ihr neues Märchen für Erwachsene im Theater Fitz?
erschienen am 11.10.2025 von Adrienne Braun bei
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Die kleine Anna-Barbara in den Fängen von Hans Geiz, gespielt von Sigrun Kilger. Foto: Luigi Consalvo
Es lässt sich an so vielen Stellen sparen. Man könnte zum Beispiel weniger atmen, damit sich die Lunge nicht so stark abnutzt. Wer langsamer geht, verbraucht weniger Kalorien. Und isst man nur noch das Nötigste, hat man auch hier sauber rausgespart. Dieser Hans Geiz weiß, wie man knausert, und könnte es im wahren Leben vermutlich sehr weit bringen. Aber auch auf der Bühne des Fitz kann man sehen, dass ihm sein Geiz viel eingebracht hat, sogar eine Dienstmagd. Die muss für ihn die Taler putzen und polieren.
Es ist ein bitterböses Märchen, das die Figurenspielerinnen Sigrun Kilger und Annette Scheibler in ihrem neuen Stück „Der goldene Taler“ erzählen. Ursprünglich stammt es von Hans Fallada und wurde erst vor ein paar Jahren wieder verfilmt. Die Variante im Fitz ist dagegen nicht kindertauglich, auch wenn hier aufs Schönste mit der Dingwelt gespielt wird und sich die Erzählebenen raffiniert mischen – zu den beiden Schauspielerinnen und den Puppen kommen allerhand Objekte, die die Geschichte mittragen, seien es wandernde Flaschen oder fliegende Zeitungen.
Ein Märchen, erklären die beiden erst einmal, sei eine Erzählung, in der merkwürdige Dinge passieren und jemandem „ein Problem vor den Latz geknallt“ wird. Und das ist hier die kleine Anna-Barbara, die weder Vater noch Mutter hat und sich nach dem Tod der Großmutter allein auf den Weg macht. Der führt die kleine Puppe mit bleichem Gesicht und großen Augen direkt hinein in die Unterwelt von Hans Geiz, wo nur Glühwürmchen den Weg weisen und sich angeblich Matratzen stapeln, auf denen es sich faule Menschen einst bequem machten. Im Schuldenbuch hat Hans Geiz auch seitenweise faule Kredite verzeichnet.
Es geht also um die Gier – aber auch um die Lust an fantasievollem Theater, bei dem Kilger und Scheibler mit lustigen Tricks und Doppelbödigkeiten aufwarten und handgemachten Bühnenzauber zeigen, dessen Geheimnis die beiden mit ironischem Augenzwinkern zu erkennen geben. Sie warten mit vielen schönen Ideen auf. So agieren die beiden Musiker (Birgit Maier-Dermann und Andreas Grossmann) in dieser Produktion als Spielautomat, in den man erst einmal eine Münze werfen muss – Geld regiert eben auch hier die Welt.
Zum Märchen, hatten die beiden in ihrer Definition noch erklärt, gehöre „moralische Klarheit“, die hier allerdings ziemlich trübe wirkt. Denn das Mädchen hat zwar gelernt, dass Freundschaft und Liebe allemal wertvoller sind als Besitz. Den goldenen Taler aber will sie freilich trotzdem bekommen, denn nicht nur in einer kapitalistischen Welt, sondern auch im Märchen gilt: Am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles.
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