erschienen am 03.11.2008 von bei Stuttgarter Zeitung
Wenn zwei Figurentheaterspieler und eine Regisseurin gegen den Text von Goethes „Faust" antreten - kann das gutgehen? Bei dem Projekt „Faust spielen!" im Fitz jedenfalls haben Christoph Bochdansky, Michael Vogel und Christiane Zanger (Regie) nicht einfach das deutsche Großdrama irgendwie mit Objekten und Puppen „umzusetzen" versucht. Stattdessen kontrastieren sie heftig Text und Spiel. Beim „Prolog im Himmel" steckt Mephisto in einem Müllsack. Und der alte Faust sieht als handgeführte Puppe mit seiner Zauselfrisur aus wie ein 95-jähriger Germanistikprofessor. Püppchen Faust besabbert ein nacktes weibliches Wesen, eine Statuette, die in einem Eimer steckt.
Wundervoll, wie Goethes Pathos schnoddrig ignoriert wird. Christoph Bochdansky und Michael Vogel spielen mit vollem Körpereinsatz, und sie führen groteske Puppen, etwa eine umwerfend komische Hexe in schwarz glitzernder Gewandung aus Lurex (Ausstattung: Bochdansky und Vogel). Charlotte Wilde spielt live auf der Bühne E-Violine und E-Gitarre, zu hören sind fantastische Klänge, raues Scheppern, mächtiges Dröhnen und raffiniertes Quietschen. Bildkräftig ist die Szene mit dem alten Faust geraten, dem ein alberner Umhang umgelegt wird. Peinlich schwadroniert Faust von seiner Sozialutopie. Figurentheater holt vom Sockel, was vermeintlich groß ist. In „Faust spielen" ist keinerlei Respekt vor des Großdichters erhabenen Versen zu spüren. Stattdessen bietet die Inszenierung eine tolle Ästhetik, wenn Goethes „Anmutige Gegend" mit kahlen Zweigen illustriert wird, an denen eklig glitzernde Kunstblumen zittern. (C.B.)