Figurenspiel Im Stuttgarter Fitz spielt das Materialtheater 'Frauen lügen aus ihrem Leben
erschienen am 12.05.2014 von Adrienne Braun bei Stuttgarter Zeitung
Steht die Welt Kopf? Selbstverständlich. Schließlich will man die Perspektive wechseln, wenn man zum Analytiker geht. Deshalb liegt Annette Scheibler im Fitz nicht auf der Couch - sondern steht, samt Sofa. Der Sessel der Therapeutin dagegen liegt auf dem Boden - als schaue man von oben in den Raum hinein. Es geht schon mal gut los in 'Frauen lügen aus ihrem Leben - oder wie ich lernte meine Runzeln zu lieben'. Die neue Produktion des Ensembles Materialtheater hat sich im Stuttgarter Fitz das Thema Frauen vorgenommen und klappert sämtliche Klischees ab - vom Schuhfetischismus bis zu Hysterie, von er Schminke bis zur Handarbeit.
Der Abend, den Alberto García Sánchez inszeniert hat, ist Theater und Kabarett zugleich. Es ist eine munteren Szenenfolge, bei der Annette Scheibler, Sigrun Kilger und Sandra Hartmann mal dreistimmig singen, mal kleine Szenen spielen oder mit Puppen arbeiten - immer aus ungewohnter Perspektive. Da steht plötzlich das Kind vor der Tür, das die Frau nicht haben wollte. 'Ich bin in deinem Kopf', erklärt die kleine Puppe und treibt ihr Unwesen. Oder diese böse Szene zwischen Blondine und Held: je verrückter die Ideen, desto besser sind die drei und dreschen Skat mit Erinnerungsfotos - wer macht den Stich? Oder sie sitzen im Restaurant und bestellen von der Karte einmal 'Sprechen wir noch darüber' mit einer Portion Würde und 'Ich gebe nicht auf' mit 'Sei schön und halt die Klappe'.
Sie singen 'Da macht sich der Uterus auf Wanderschaft' - und klettern die Tonleiter immer höher und höher. Sie demontieren Märchen, erinnern en passant an Gewalt gegen Frauen und sind oft sehr selbstironisch. Denn auch wenn es hier vereinzelt Seitenhiebe auf die Männer geben mag, so geht dieser kurzweilige wie originelle Theaterabend vor allem mit den eigenen Geschlechtsgenossinnen ins Gericht. In einer der besonders bösen Szenen spielt Sigrun Kilger ein Schaf - oder ist sie doch eine liebende Ehefrau? adr