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Die Kunst der Verführung

Morgen hat das Projekt „Manipulation - eine unvollständige Collage" im Stuttgarter Fitz Premiere

erschienen am 27.04.2015 von Petra Bail bei Esslinger Zeitung

Stuttgart - Man wird überall und ständig manipuliert. Man kann den Vorgang Verführung nennen, Ein-flussnahme oder Fremdsteuern. Letztlich geht es darum: „Wie kriege ich jemanden dazu, etwas Bestimmtes zu tun", sagt Annette Scheibler vom Stuttgarter Ensemble Materialtheater. Gemeinsam mit internationalen Künstlerkollegen haben die Stuttgarter Figurenspieler einen „kollektiven Manipulationsversuch" unternommen, in dem Puppen, Clowns, Videoprojektionen und Film eine Rolle spielen. Das Ergebnis ist eine „unvollständige Collage" unter dem Titel „Manipulation", die am morgigen Dienstag um 20.30 Uhr im Fitz Premiere hat. Ein politischer Theateransatz, Ironie, Witz und feine Antennen für innere Prozesse - dafür steht das Ensemble Materialtheater um Annette Scheibler, Sigrun Kilger und Alberto Garcia Sänchez. Gemeinsam mit Puppenspielern, Schauspielern, Regisseuren, Autoren, Musikern und Filmemachern wurden in drei je zehntägigen Arbeitstreffen die unterschiedlichen Mechanismen von Manipulation auf ernste und heitere Weisen untersucht. Das Großprojekt mit insgesamt 13 Beteiligten wurde ermöglicht durch die finanzielle Förderung der Stadt Stuttgart, dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg sowie dem Fonds Darstellender Künste. Der Arbeitsprozess im Kollektiv war den Mitwirkenden genauso wichtig wie das Theaterstück selbst, das vorerst nur vier Mal im Fitz zu sehen sein wird. „Es ist schwierig, so viele Leute unter einen Hut zu bringen", erklärt Scheibler, die im Austausch mit Kollegen das Schärfen des eigenen kreativen Prozesses schätzt. Jeder brachte seine Ideen ein, die Umsetzung erfolgte gemeinsam. Mit der Live-Kamera auf der Bühne und vorgefertigtem Videomaterial wird trickreich die Zuschauer-Mani-pulation vorgeführt. Eine kleine Handpuppe in einem Guckkasten behauptet, dass niemand sie spiele und die Handkamera zeige, dass da tatsächlich niemand sei. „Natürlich arbeiten wir mit Manipulation, um das Publikum dahin zu führen, wo wir es möchten", verrät Scheibler. Mit Clowns kann man das Thema der Einflussnahme auf einen einfachen Nenner herunterbrechen: Was passiert, wenn einer eine Tasse Kaffee trinkt, die der andere gerne haben möchte? Das sind dann die humorigen Momente, die sich mit ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Thema Machtdemonstration und Krieg abwechseln. Auf Puppenebene wird eine gefakte Fernsehdiskussion über anstößige Kriegsfotografie geführt und damit die Frage aufgeworfen, ob es nicht viel obszöner ist, Kriege zu dulden? Ein Mordfall wird mit einer Livekamera gefilmt, Interviewbilder werden mit einem völlig anderen Text synchronisiert. Kurze Sequenzen zeigen auch den Kunstgriff, wie im Film mittels Musik unterschiedliche Wirkungen erzielt werden. Ein junger Filmemacher aus Berlin hat über den Arbeitsprozess einen 15-minütigen Künstlerfilm gedreht, der ebenfalls Teil der lustvollen Collage der Agenten der Manipulation ist.

■ Die Premiere beginnt morgen um 20.30 Uhr im Stuttgarter Fitz. Weitere Aufführungen folgen am 29. und 30. April sowie am 1. Mai. Karten unter ® 0711-241541.

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