erschienen am 11.11.2017 von Arnim Bauer bei Ludwigsburger Kreiszeitung
Zu seinem 30. Geburtstag schenkt das Ensemble Materialtheater Stuttgart sich und den Zuschauern ein abendfüllendes Spektakel über Miguel de Cervantes’ „Don Quijote“. Auf der Bühne zu diesem bunten Spiel im Fitz sind Annette Scheibler und Sigrun Kilger, im Hintergrund haben aber eine ganze Reihe weiterer Künstler mitgearbeitet. Geboten wird ein Panoptikum dessen, was heute in der Sparte Figurentheater von Bedeutung ist. An vielem hat das Materialtheater im Laufe seines Bestehens auch mitgewirkt, es zur Bühnenreife gebracht. Da wird mit Puppen gespielt, da bringen sich die beiden Spielerinnen aber auch selbst als Figuren ein, wechseln die Ebenen, werden Teil des Szenarios, um augenblicklich wieder Distanz zu gewinnen, die Dinge in Bewegung zu halten.
Neben den Figuren sind dies fantasiereiche Adaptionen von Gegenständen, die plötzlich zu Figuren werden, es sind Utensilien, die ihre Funktion ändern, manchmal verblüffend einfach, manchmal auch technisch überraschend. So sehen wir an diesem Abend einen Tisch, dessen Füße plötzlich wegklappen, wir sehen ein dickes Buch, in das einmal der Autor hineinschreibt oder die beiden Spielerinnen darin lesen, das aber auch zur Rosinante, dem Pferd des Ritters, wird. Mit Teppichklopfern werden die berühmten Windmühlenflügel lebendig, und zuweilen musizieren die beiden auch selbst, während die Musik meist vom Band kommt.
So vielfältig wie die eingesetzten Effekte ist auch die Geschichte selbst. Vordergründig werden Szenen aus den berühmten Abenteuern des verrückten Ritters nachgespielt, aber sie sind mit einer ganzen Reihe von Kommentaren der beiden Spielerinnen, Rückgriffe auf Cervantes selbst oder auf andere Anspielungen garniert, so dass eine ganze Fülle von Eindrücken, von Aussagen, von Interpretationsmöglichkeiten auf den Zuschauer einstürmen. Und dabei ist es sehr wohl Absicht, dass auch immer wieder Szenen vorkommen, die einfach Klamauk sind, die witzig sind, die Lust auf das Lustige und Lustvolle machen. Pralles Spiel also, manchmal höchst humorig und dann wieder fast sentimental berührend. Los ist immer etwas in den gut hundert Minuten dieser Darbietung zwischen Skurrilität und recht tiefsinnigem Theater. Ein meisterhaftes Kaleidoskop des Figurentheaters.