erschienen am 19.01.2005 von bei Badische Neueste Nachrichten
Als doppelt ermutigend erwies sich die Auftaktveranstaltung zu einer neuen Reihe im Figurentheater Marotte. Dort können unter dem Motto "Podium" Studenten und Absolventen der Stuttgarter Hochschule für Darstellende Kunst und Musik ihre Diplom- und Abendinszenierungen auch mal außerhalb der Hochschule zeigen. "Muschelkalk - Die Liebe des Joachim Ringelnatz" durch Alice Therese Böhm (Spiel) und Ulrich Beck (Musik) fand vor erfreulich vollem Haus statt und bot junges, eigenständiges Figurentheater.
" Muschelkalk" lautete der Kosename des 1883 geborenen Ringelnatz für die 15 Jahre jüngere Leonharda "Lona" Pieper, die er 1920 nach vierjähriger Bekanntschaft heiratete. Das Stück stellt diese Beziehung mit prägnanten Auszügen aus ihrem offenherzigen Briefverkehr vor. Szenischer Auslöser ist die Begegnung einer jungen Frau auf einem alten Speicher mit dem geisterhaften Ringelnatz, der ihr den Weg zu den Briefen und Erinnerungsstücken weist. Origineller sind die unaufdringlich überzeugenden Bilder für das Wesen dieser Beziehung. Etwa wenn der anfänglich große Kontrast - Leonharda ist "lüsternes Verlangen widerlich", Ringelnatz strebt eine "märchenwunderliche Schamlosigkeit" an - sich zeigt im Grabschen einer großen Ringelnatz-Figur nach den Muscheln im Rock der kleinen Lona, oder wenn er erst nach vergeblichen Versuchen, sie mit sich zu ziehen, den richtigen Draht zu ihr findet - den Draht, an dem ihre Puppe hängt. Geschickt gewählte Ringelnatz-Verse ergänzten dieses Spiel mit Masken, Marionetten, Material und Musik.