erschienen am 29.10.2010 von Brigitte Jähnigen bei STN
Ein großer Wunsch und eine noch größere Angst: Ehe Alma das Meer sehen kann, muss sie von ihren Kindheitstraumen genesen. So sperrig der Titel des zauberhaften Psychodramas ist, so feinfühlig setzt sich das Ensemble des Figurentheaters Paradox und Theaterfusion (Regie: Lisa Augustinowski) mit dem Sujet des inneren Eingesperrtseins auseinander.
In symbolhaftem Grau ist das winzige Zimmer in dem Metallgerüst gestrichen, in dem Alma Hase ihr Leben fristet. „Ob Norden, Süden, Osten, Westen, bei mir zu Hause hab' ich's doch am besten", tröstet sie sich, wenn sie es wieder einmal nicht geschafft hat, sich ihren Traum zu erfüllen: einmal das Meer zu sehen. Papierene Faltschiffe auf dem Fensterbrett - fast so viele, wie das Jahr Tage hat - sind Zeugen ihrer Neurose. So szenarienhaft Almas Phobien sind, so lakonisch geht sie damit um. Sie lauscht dem Rauschen der Riesenmuschel, lässt sich von der Spieluhr bezaubern und lenkt so von ihrer Zwangserkrankung ab, die ihr den Ablauf jeder Handlung diktiert.
Anschaulicher als ein medizinischer Fachvortrag es vermag, lösen Stephanie Rinke als Alma und Susanne Olbrich den Ursache-Wirkung-Konflikt: Nur die Konfrontation mit der Vergangenheit und das Mitgefühl mit einem lebendigen Wesen, einer liebenswerten, eselsohrigen Tierpuppe, heilt die Kranke. Psychologie pur, künstlerisch großartig umgesetzt, unbedingt anschauen!