Theater Im Stuttgarter Fitz hat die ungewöhnliche Produktion „Lichtung" Premiere gehabt.
erschienen am 19.04.2014 von Cord Beintmann bei Stuttgarter Zeitung
Heidegger trifft Modularsynthesizer - kann das gut gehen? Die Stuttgarter Theatertruppe O-Team hat jetzt im Zentrum für Figurentheater (Fitz) versucht, Texte des Philosophen mit hochmodernem Materialtheater zu verknüpfen. „Lichtung" heißt die Produktion in der Inszenierung von Samuel Hof. Im Fitz schaut man auf eine Einbauküche im Rustikalstil. Kaffeemaschine, Mikrowelle. Toaster (Ausstattung: Nina Malotta). Schweigend sitzt Folkert Dücker am Tisch. Aus dem Lautsprecher ist permanent eine Art Zupfton zu vernehmen. Eine Frau (Antje Töpfer) kommt herein. Gesprochen wird kein Wort. Töpfer macht Kaffee, und auf einmal werden die normalen Küchengeräusche akustisch verstärkt: klirrendes Rühren des Löffels in der Kaffeetasse, lautes Klappern von Utensilien in der Küchenschublade. Das Paar in der Küche ist irritiert.
Über der Bühne werden per Leuchtschrift Sätze Martin Heideggers eingeblendet. „Vielleicht ist der Mensch überhaupt in seinem Haus nicht zu Hause." Manche Leute finden ja die Sprache des Großdenkers Heidegger schwer erträglich. Es ist unglaublich. dass es in „Lichtung" gelingt, Heideggers Gedanken mit ganz konkretem Bühnenhandeln zu illustrieren. „Wir müssen den Ursprung finden", raunt der Philosoph im Text über der Bühne. Genau das versuchen die beiden in der Küche. Sie wollen wissen, woher die Töne kommen und demontieren radikal das Mobiliar. Dabei lösen sie eine Wandplatte, und nun schiebt sich langsam ein Wahnsinnsgerät in den Raum. Es ist ein mit Kabeln und blinkenden Lämpchen gespickter, so genannter Modularsynthesizer, der alle möglichen Töne und Klänge produziert. Markus Birkle (Musik). Pedro W. Pinto und Nils Meisel (Sound) erzeugen während des gesamten Stückes live eine raffinierte und mitreißende Klangcollage.
Ein Heidegger-Foto erscheint kurz im Fenster der Mikrowelle, zu hören ist sein Text ..Der Feldweg", aus dem er selber mit salbungsvoller Stimme liest. Es geht um Technikkritik. Dazu schlagen sich Dücker und Töpfer auf der Bühne mit Technik herum. Dann projizieren sie alles Mögliche auf die hintere Bühnenwand, kleine Dinge, die groß erscheinen. So wird ein durchlöcherter Plastikbehälter in der Projektion zum Hochhaus. Man bekommt in dieser Aufführung ein Gefühl für die Banalität der Dinge, zugleich aber wird auch das Bedrohliche und Unheimliche einer Welt der Apparate anschaulich in Bilder gesetzt.
Am Ende beginnt das Paar miteinander zu reden. Es ist ein Dialog von Heidegger aus seinen „Feldweggesprächen". Diese hochphilosophische Konversation ist stellenweise wunderbar komisch. Das O-Team hat Heideggers angestrengten Ton und heutige Bühnenästhetik bravourös und schön ironisch verbandelt.