Puppentheater—Premiere
erschienen am 15.11.04 von bei Nürnberger Zeitung
Im „Theater der Puppen" im Kali wird es langsam ruhig. Alle Zuschauer haben ihre Plätze eingenommen und erwarten, wie angekündigt, „Macbeth für Anfänger - Ein Kampf um Shakespeare". Doch dann betritt der Puppenspieler die Bühne und erklärt dem Publikum, die Puppen seien nicht rechtzeitig fertig geworden! Die Tragödie von Shakespeare müsse leider ausfallen und stattdessen werde ein „Kas-perlknaller" gespielt: „Die gestohlene Geburtstagstorte".
Was dann folgt, ist (zunächst) eine köstliche Parodie auf das gute alte Kasperltheater aus Kindertagen, inklusive dem beliebten Schlachtruf: „Seid ihr alle da?!" und dem kompletten Personal: Großmutter, König, Prinzessin, Briefträger, Seppel, ein verliebtes Krokodil mit schlesischem Dialekt ( „Wie steht mir grien?") und natürlich dem Kasper.
Der regt sich erstmal unheimlich über den unzuverlässigen Puppenspieler auf. Wozu braucht der neue Puppen? Hätte nicht er, der Kasper, einen wunderbaren Macbeth abgegeben?! Immer wieder unterbricht er den „Kas-perlknaller", weil er doch so gerne Macbeth spielen würde. Und es kommt, wie's kommen musste: Kasper führt den Aufstand der Puppen an und verschafft sich selber sein Recht!
Selbstverständlich spielt er die Hauptrolle und ernennt auch gleich seinen Kumpel Seppel zur fränkischen Variante der Lady Macbeth, nachdem Seppel ihn mit seiner grausamen Fantasie überzeugt hatte. Sobald alle Rollen verteilt sind, nimmt das shakespearesche Gemetzel seinen Lauf. Der Kasper wird sich noch mehrmals wieder zurück in sein harmloses Stück um die gestohlene Geburtstagstorte wünschen, allerdings gibt es da schon kein Zurück mehr.
Längst haben die Figuren die Grenze zwischen Fiktion und Realität hinter sich gelassen und der Tod ist nur allzu wirklich geworden! Ebenso gewaltig wie destruktiv brechen sich Machthunger und Ehrgeiz ihre Bahn und ziehen eine blutige Spur nach sich.
Tristan Vogts Bearbeitung von Gigio Brunellos und Gyula Molnärs "Macbeth all' improwi-so" arbeitet -gerade durch den inhaltlichen Kontrast zum Kasperltheater - die archaische Grausamkeit von Shakespeares Figuren besonders eindringlich heraus. Sicher nicht zufällig sollten die eigentlichen Macbeth-Puppen Tierköpfe tragen.
Es ist auch eine hintergründige Satire auf den Theaterbetrieb und seine, Protagonisten, die schließlich Opfer ihrer eigenen Profilierungssucht werden. Und wie so oft, liegen Tragik und Komik absurd nah beieinander. Ein Stück mit liebevoll gezeichneten Figuren und vielen subtilen Ebenen, die sich nicht gleich auf den ersten Blick erschließen.