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Kein Träumer

erschienen am 10.06.2014 von Sabine Wagner bei Ostthüringer Zeitung

Der Pferdehändler Michael Kohlhaas ist kein Träumer, als er das Schafott besteigt. Er stirbt nicht für die Bruderschaft der Menschen, sondern als verurteilter Mörder und Brandschatzer. Bevor er dazu wurde und bevor ihm großes Unrecht widerfuhr, glaubte Kohlhaas an Recht und Gesetz. Dann verlor er durch eine List zwei Rappen an Junker Wenzel, seine Frau, die mit einer Bittschrift auf das Schloss geeilt war, und schließlich seine Ehre. Und nachdem sein vielleicht einziger Traum - Recht und Gerechtigkeit sind eins - zerplatzt war, lebt Michael Kohlhaas nur noch für seine Rache.

Samstagabend feierte die Kleist-Novelle “Michael Kohlhaas” in der Bearbeitung für das Puppentheater von Helmut Landwehr Premiere in der Puppenbühne Gera. Und die eindringliche, poetische Inszenierung von Alvaro Schoeck hält fast eine Stunde lang in Atem, weil an dieser Inszenierung einfach alles stimmt: Das Stück ist klug und topaktuell erzählt, die fantasievolle Bühne und die Puppen von Sylvia Wanke sind wunderbar gebaut und lassen viel Platz für eigene Assoziationen. Die Musikbearbeitung von Olav Kröger, darunter John Lennons Imagine-Song, treffen genau den richtigen Ton. Vor allem aber nimmt das großartige Spiel von Lutz Großmann als Michael Kohlhaas und Marcella von Jan in den Frauenrollen gefangen.

Mal lebensgroß, mal als Schattenriss oder im Dialog mit den Puppen spielt Großmann einen hochemotionalen Kohlhaas, dessen Verzweiflung in Wut und Hass umschlägt und im Disput mit Luther ohnmächtiges Staunen vermittelt. Marcella von Jan ist in den unterschiedlichsten Rollen und mit vollem Körpereinsatz immer an seiner Seite, als geheimnisvolle Wahrsagerin und Geliebte des Kurfürsten, als Lisbeth, Luther, Hinz und Kunz.

Beeindruckend ist auch, wie Alvaro Schoeck die Spannung aufbaut und die Figuren in Szene setzt. Die Dekadenz und die Korruption am Fürstenhof kennen keine Grenzen, ebenso die Vetternwirtschaft der weit verzweigten Tronka-Familie, zu der Kohlhaas Widersacher Wenzel von Tronka gehört. Sylvia Wankes schräge Köpfe, ihre zauberhaften Schattenfiguren und ihre Live-Projektionen sind gekonnt eingesetzt und zeichnen die Charaktere punktgenau. Solche Leute kennt man doch, auch wenn sich die Namen und die Zeiten geändert haben.

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