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Künstlergespräch im Müll

erschienen am 12.12.2017 von Cord Beintmann bei StZN

Klingt schon mal gut, wenn man als Theaterzuschauer aufgefordert wird, im Theatersaal das Handy nicht abzuschalten, sondern sogar zum Ablichten diverser Kunstwerke zu benutzen. „Viel Spaß, fühlt euch frei!“, meint Folkert Dücker im Theater Rampe, nachdem er das Publikum in den Saal geführt hat, wo zwischen Türmen aus Plastikkisten ein paar Skulpturen aus dem 3-D-Drucker (Fabian Hesse) aufgestellt sind, etwa eine lebensgroße Frau mit zwei Gesichtern. Dücker hält einen roten Kunststoffklumpen in die Höhe. „Das ist die Zusammenfassung der Spams der letzten vier Wochen“, so sein Kommentar. Keine Frage, über Witz verfügt „:-Oz“, die jetzt in der Rampe uraufgeführte neue Produktion des Stuttgarter O-Teams. Ein gewaltiges Thema hat sich die Truppe vorgenommen, nämlich die Spannung zwischen der analogen Theaterrealität und der simulativen Digitalwelt (Regie: Samuel Hof).

Zwischen Wirklichkeit und virtueller Welt

Erst einmal aber geht es um Kunststoffmüll. Die Zuschauer werden gebeten, jene Plastikkisten voller Müll auf den Bühnenboden zu leeren, und dann findet auf der total vollgemüllten Bühne der Rampe ein Künstlergespräch statt. Folkert Dücker als Journalist befragt die Künstlerin Dorothy (Antje Töpfer). Und da ist die beste Passage des Abends zu erleben, eine herrliche Satire auf überkandidelten Kultur-Talk, in dem etwa von der Technologie der Transformation von Tiefenzeit die Rede ist. Danach werden Dücker und Dorothy auf einen Bildschirm gebeamt und wissen nicht mehr, ob sie reale oder Digitalwesen sind. Auf dem Bildschirm flackert Dücker als virtuelles Wesen, das durch eine gruselig-künstliche Scheinwelt fliegt. Der real existierende Mann beklagt sich vehement: „Meine Füße berühren den Boden nicht.“ Doch so ganz bekommt das O-Team das große Thema „Analogie versus Digitalität“ nicht in den Griff. Zu hören sind viele kluge Sätze, aber die Umsetzung in prägnante Theaterszenen gelingt nur ansatzweise. Anregend ist der Abend aber allemal, und richtig spannend. Dazu sind mitreißende elektronische Klänge von Harry Delgas zu hören.

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