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Leuchtköpfchen im Märchenwald

Die Lichtmagier von United Puppets sind zurück am Theater an der Parkaue und inszenieren „Rotkäppchen“ als Lampenpuppentheater. Eine Glühbirnenwunderwelt, die kindliche Erzähltradition mit modernem Sound- und Illuminationsdesign verbindet.

erschienen am 30.10.2012 von Christian Rakow bei Berliner Zeitung

Im abgedunkelten Saal, in einer großen schwarzen Spielbox sehen wir eine ganz seltsame Spezies Handpuppen: zottelige Körper mit leuchtenden Glühbirnen als Kopf. Oma strahlt mit einer warmen Funzel, Jäger Karl durch ein sattes grünes Glas und Rotkäppchen mit lebhaftestem Rot, natürlich. Wenn sie sich herzen, zuzwinkern oder die Hände vors Gesicht halten, gehen die Lampenköpfe kurz aus. Man spricht ja gern von elektrisierendem Theater. Hier stimmt’s in mehrfacher Hinsicht.

Die Lichtmagier von United Puppets sind zurück am Theater an der Parkaue. Nach ihrer bezaubernden Sternenromanze „Lichterloh“ (2010) verlegen sie jetzt Grimm’sche „Rotkäppchen“ in eine Glühbirnenwunderwelt, in eine Puppenspielbühne aus dem Geiste des Elektrobaukastens. Großes Gespür für kindliche Darstellungs- und Erzähltraditionen verbindet sich darin mit modernem Sound- und Illuminationsdesign. Verblüffend und einnehmend zugleich.

Es ist der sechste Geburtstag des Rotkäppchens: Mit einem blau funkelnden Geburtstagskuchen in den Händen und einem Altberliner Volkslied auf den Lippen macht es sich auf den Weg zur Großmutter: „Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert.“ Mitten durch einen bizarren, staubwedelartigen Tannenwald läuft es, vorbei an Jäger Karl, der einen dermaßen lässigen niederösterreichischen Akzent zelebriert, wie man ihn in Berlin so nur von Sophie Rois kennt.

„Der Wolf hat sich als Blautanne getarnt“

In puncto Kultigkeit wird Jäger Karl fraglos noch vom Wolf übertroffen: ein großes flauschiges Etwas, mit winzigen Leuchtdioden als Augen, das hin und wieder aufheult und ansonsten in tiefsten Oktaven wie ein Monster aus der „Sesamstraße“ bekennt: „Spaß muss sein!“ Eine Erklärung für seinen faszinierenden Wuschel-Look gibt’s auch: „Der Wolf hat sich als Blautanne getarnt“. Deshalb!

Zum Publikumsliebling avanciert er trotzdem nicht. „Du böser Wolf!“, rufen die Kinder (ab 4 Jahren) aufgebracht, als sich der gemütliche Schurke dem Haus der Oma nähert. „Sagt mal, kennt Ihr das Märchen nicht?“, grummelt er zurück und schreitet sogleich werktreu zur Tat. Es folgt der packende Showdown: „Großmutter, was hast du für große Augen?“ Na, nicht den Krimi verraten. Nur so viel: Zum Glück ist Jäger Karl nicht weit.

Pierre Schäfer und Melanie Sowa brillieren als Puppenspieler unter der Regie von Mario Hohmann in den verschiedenen Rollen. Eine jede Figur charakterisieren sie mit kleinen Marotten, eigenen Tonlagen und Akzentfärbungen von Donau-, über Elb- bis Spreewalddeutsch. Vierzig Minuten dauert das Leuchtstoffmärchen. Als der Tannenwolf am Schluss mit den Mühlsteinen im Bauch von dannen tapst, sagt er noch: „Ich dachte, es wird ein schöner Tag.“ Für ihn nicht. Für uns schon.

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