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Mal mal ein Drama

Bilderbücher zu Bühnen: Kindertheater im Zeichen der Zeichner

erschienen am 10.12.2002 von MONIKA BERGHAUS bei Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 287

Erlbruch überall. Eigentlich hat sich der Wuppertaler Bilderbuchkünstler und Zeichenprofessor in letzter Zeil ein wenig zurückgezogen. Doch seine Spuren sieht man allerorten, nicht nur in den Werken seiner Schüler - sondern auf den Bühnen der Kindertheater. Seine Bilderbücher werden landauf, landab dramatisiert, von „Frau Meier die Amsel" über die „Fürchterlichen Fünf" bis zur eher unbekannten „Menschenfresserin“.

Wie kam es dazu? Ist es allgemeine Tendenz des Kindertheaters. sich im Bilderbuchregal zu bedienen und mehr dem Metier der Bearbeitung zu widmen, als eigene Stoffe zu entwickeln? Wie sind die Wechselbeziehungen zwischen Bild und Text? Und wie wird ein richtiges Drama daraus? Diesen Fragen ist das diesjährige Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater nachgegangen. Da diese Veranstaltung immer aber eher den Charaktereines Fsimi-lientreffens hal, blieb das Problem eben auch innerhalb der Familie, Das heißt: Man fragte gar nicht sn genau nach. Um der lieben Harmonie willen. Dabei saßen Jutta Bauer, Wolf Erlbruch und Friedrich Karl Waechter auf dem Podium: herausragende Vertreter der gegenwärtigen Bilderbuchkunst, die gewiß auch für ein ernsthafteres Fachgespräch offen gewesen wären. So aber wurde es - abgesehen von einem kleinen Vortrag des Osnabrücker Kunst- und Theaterwissenschaftlers Peter Steineke über das Dramatische der Bildersprache -überwiegend ein Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit gemeinsamem Bilder-Gucken. Waechters kühne These (frei nach Hitchcock), nur aus nicht ganz gelungenen Bilderbüchern könne man gute Stücke machen, weil sie nach einer Vervollkommnung durch das Theater geradezu schrien, blieb ohne Echo.

Vielleicht fehlte einfach jemand, der sich gut auf beiden Gebieten auskennt. Denn was in den Köpfen der Kinder selbstverständlich zusammenkommt ~ das Bilderbuch und das gleichnamige Theaterstück -, bleibt auf der Seite der erwachsenen Produzenten und Theoretiker getrennt. Illustratoren und Regisseure wissen nicht viel voneinander, genauso wenig wie die wenigen Bilderbuchkritiker zugleich Theaterexperten sind. Obwohl beide Genre ja mit Visualisierung, straffer, übersichtlicher Handlungs- und Figurenführung und naturgemäß mit Dramatik zu tun haben.

Die Kindertheatermacher selbst scheinen auf den Überbau zu pfeifen, solange ein Bilderbuch sie einfach inspiriert — und sie daraus machen können, was sie wollen. Nicht immer im Sinne des Autors, nicht immer in Übereinstimmung mit den Lizenzgebern Hier tut sich eine weite Grauzone auf. Vor allem kleine und freie Ensembles betrachten die Bilderbuchgeschichten als frei zugängliches Allgemeingut. Dennoch ist es besser, da nicht zuviel zu regulieren, denn wenn etwas Gutes und Neues dabei herauskommen soll, müssen die Künstler mit dem Stoff frei umgehen können. So wie es Eva Noell und Paul Olbrich vom Erfurter Theater Waidspeicher mit Julia Bauers Bilderbuch „Die Konigin der Farben" gemacht haben.

Hier ist aus einer einfallsreichen Farbimpression mit einer etwas weniger einfallsreichen Rahmengeschichte ein prallvoller Tag im Leben einer dickköpfigen kleinen Kindkönigin geworden. Eine kompakte Schattenfigur rast über die Leinwand, während auf ihr Kommando um sie herum gemalt, gekleckst und auf alle mögliche Weise mit Papier phantasiert wird. Die Erfurter haben mit ihrer Mischung aus Puppentheater, Film und Malerei, im Zusammenspiel von Schartenfigur, sich aufblätternden Seiten und gehorsamen Untertanen-Darsteller die eigentliche Geschichte aus dem Bilderbuch erst herausgelockt. Ganz im Sinne F. K. Waechters.

Fehlt nun auch den Erlbruch-Büchern etwas, weil sie so gerne inszeniert werden? An ihnen regt eher das CoIlagenhafte, Verrätselte der Zeichnungen die Bühnenleuten. Der Bremer Schauspieler Martin Leßmann zeigte Teile seiner Bearbeitung von Erlbruchs „Werkstatt der Schmetterlinge". Hier ist eine kongeniale Fassung entstanden, sanft und wunderlich, genau wie das Buch, jedoch nicht über es hinaus. Kindertheater sollte aber doch ein bisschen mehr sein. Zum Glück gibt es ja nicht nur noch eine Menge unvollkommener Bilderbücher.

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