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Musikalisch-visuelle Reise an die raue See

Dem Klavierduo Jost/Costa und Videokünstlerin Katharina Wibmer gelingt ein spannendes Crossover-Projekt

erschienen am 21.02.2021 von Armin Bauer bei LKZ

Claude Debussys impressionistisches Meisterwerk „La Mer" steht im Mittelpunkt einer Produktion, die das Klavierduo Yseult Jost und Domingos Costa für das Fitz erarbeitet hat. Die Idee der beiden Pianisten war es, Debussys Klavierfassung für vier Hände, die der Komponist aus den ursprünglichen „drei symphonischen Skizzen für Orchester" geschrieben hat, ein visuell unterstütztes Klangerlebnis zu schaffen, das sowohl das Gehör als auch das Auge fordert und so die musikalischen Ideen Debussys illustriert. Dazu haben sich die beiden mit der Ludwigsburger Videokünstlerin Katharina Wibmer zusammengetan und Ines Meinhardt vom bekannten Figurentheater Meinhardt und Krauss hat die Regie übernommen. Ein Experiment, eine relativ innovative Art, klassische Musik dem Publikum zu präsentieren und ganz unterschiedliche Ansätze der Kunst zu verbinden. Aber wo soll man es in Zeiten des Lockdowns aufführen? Diese Frage brachte die Künstler und das Fitz dazu, ein weiteres Experiment zu wagen: Die Premiere war als Livestream auf Youtube am Freitag direkt aus dem Rotebühlbau zu verfolgen.

Der Wagemut hat sich gelohnt: Nach dieser Premiere darf man beide Experimente als geglückt bezeichnen. Das Streaming war weit mehr als nur ein Notbehelf, eine Filmaufzeichnung einer Bühnendarbietung, die Aufnahme konnte eine eigene Atmosphäre entwickeln, die zwar nicht ganz an das Live-Erlebnis heranreicht, aber es war mehr als das berühmte „besser als nix", wie so mancher Versuch eines Streamings von Theaterdarbietungen derzeit oftmals kommentiert werden muss.

Das liegt vor allem daran, dass das Projekt von Domingos Costa und seiner Partnerin Yseult Jost über eine ganze Menge Substanz verfügt. Da ist als kraftvoller Ausgangspunkt die Komposition, musikalisch schon höchst spannend, ein trefflicher Beleg dafür, wie Debussy konsequent gegen zu dieser Zeit nahezu unantastbare Maximen ankomponierte, seien es Beethovens stringente Formen oder Wagners bombastische Ausbrüche. Und wie er den Impressionismus in der Musik etablierte. Das Duo meistert an einem Flügel alle Herausforderungen, die dieses komplexe Werk mit sich bringt und sorgt so bereits mit der Musik für ein fantasievolles Erlebnis.

Dazu die beeindruckenden Bilder von Katharina Wibmer, die einfach schön, treffend und abwechslungsreich die Geschichte der Musik und der Künstler erzählen. Sie reichen von sehr gegenständlichen Darstellungen wie im zweiten Satz „Spiel der Wellen", wenn ein kleiner, animierter Fisch ohnmächtig die Vermüllung seines Lebensraums erlebt, bis hin zu immer mehr abstrakten Bildern im dritten Satz „Zwiegespräch von Wind und Meer". Für den Zuhörer und Zuschauer ist diese Interpretation eine Reise ans Meer. Nicht unbedingt an den sonnenüberfluteten Sandstrand einer Südseeinsel, wo er barfuß durch den Sand läuft, eher schon an eine felsige Küste, wo er auf einer Klippe sitzend dem Spiel der Wellen folgen kann, die mal wild tosend die Gischt schäumen lassen, mal ruhig den Blick auf im Wasser treibenden Unrat freigeben, wenn im Rhythmus der Gezeiten der Sturm die Wogen peitscht, Schönheit und Tücke, Abgrund und Unendlichkeit dieses Elements sich in ganzer Pracht entfalten. Eine lautmalerische Ausflugsfahrt