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Neun ist eins, und zehn ist keins

Mit der neuen Inszenierung des Figurentheaters Wilde & Vogel kehren die dunklen Künste einmal mehr in den Westflügel zurück

erschienen am 05.10.2010 von Charlotte Ehrt bei Leipzig Almanach

Nach Der Hobbit und Maria auf dem Seil gibt es nun ein neues kindertaugliches Stück im Lindenfels Westflügel zu sehen. Krabat vom Figurentheater Wilde & Vogel, eine Produktion für junge Menschen ab 12 Jahren und Erwachsene feierte am vergangenen Donnerstag Premiere. Wer die literarische Vorlage von Otfried Preußler kennt, weiß zumindest inhaltlich, worauf er sich einlässt. Der Kriegswaise Krabat geht in die Lehre eines geheimnisvollen Müllermeisters, der seine zwölf Schützlinge unter grausamem Regiment hält und sie in die Künste der Schwarzen Magie einweiht. Krabats Neugier und Ungehorsam führen ihn hinter das schreckliche Geheimnis der Mühle. Um dem Bann zu entkommen braucht es viel Mut, Freundschaft und auch Liebe.

Ein Theaterabenteuer in gekonnter Wilde-&-Vogel-Manier: sehr reduziert in Sprache und Ausstattung, dafür umso reicher an Bild- und Tonerlebnissen. Der einfache, offene Spielraum unterstreicht die Konzentration auf das eigentlich Wichtige: die Puppenspielkunst und Atmosphäre. Herausragend ist dabei auch die akustische Begleitung der Theatermusikerin Charlotte Wilde, welche dieses Mal auch verstärkt Gesang einsetzte.

Die Handlung wird in knackigen 60 Minuten erzählt, wobei die Balance zwischen assoziativen Ausschweifungen und klaren Bildelementen angenehm ausgewogen ist. Der beklommen-düstere Anfang der Inszenierung wird später durch witzige Spielereien, wie eine kleine Skelett-Marionette oder ein Handpuppenspiel à la Punch and Judy aufgelöst, jedoch ohne gefällig zu werden.

In dieser Konstellation neu zusammengefügt, harmonieren die vier Spieler (Florian Feisel, Dagmara Sowa, Pawel Chomzyk und Michael Vogel) wunderbar miteinander auf der Bühne. Sie schlüpfen in verschiedenste Rollen; von Figur zum Erzähler, bis hin zu sich selbst, selbstironisch dem Puppenspieler. Mittendrin befinden sich die ausdrucksstarken Puppen von Michael Vogel, die ebenso in ihrer Einfachheit, wie Funktionalität glänzen. Ein schwarzer Umhang und eine halbe Maske reichen völlig aus, um den unheimlichen Meister zu charakterisieren, wie er der kleinen Puppe des Krabat-jungen gegenüber tritt. Und von Goethes Faust adaptiert, rezitierte der Meister das „Raben-Einmaleins“, umringt von seiner Schar spatzengroßer, schwarzer Vögelchen.

Für Freunde des klassischen Kasperl-Theaters mag diese Theaterform Neuland sein, aber nicht weniger spannend und unterhaltsam für alle Sinne. Sie eröffnet völlig neue Sichtweisen, fordert und beflügelt gleichzeitig Fantasie und Imagination und macht es sowohl für Kinder als auch für Erwachsene zum Erlebnis.

Ein in jeder Hinsicht ausgewogenes Stück, mit Spannung, Spiel und Spaß und statt Schokolade offenbart sich ein schlichtes, aber umso wirkungsvolleres Happy End, aus dem man als tief beglückter Zuschauer heraustreten kann.

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