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Rächerinnen in Kutte und Fußballdress

erschienen am 01.01.2005 von Volkmar Dräeger bei Neues Deutschland

Was passiert, wenn wackere Bürger verlogenes Politikergeschwätz wörtlich nehmen,, wenn sie in flammendem Übereifer ein Eigentor nach- dem anderen schießen und doch auf der ganzen Linie im Recht bleiben? Dann entsteht ein Stück Objekttheater der amüsant-hintergründigen Art Zumindest, wenn sich Gyula Molnar des Themas annimmt und sich mit Alexandra Kaufmann und Annette Scheibler zweier Spielerinnen mit feinem Gespür, präziser Figurenzeichnung und komödiantischer Ernsthaftigkeit versichert. In der Schaubude erlebte die Groteske »Freischwimmer« um die Tücken grenzenloser Gutwilligkeit ihre Uraufführung als Koproduktion mit dem Ensemble Materialtheater Stuttgart.

In der Dunkelheit sägt jemand die Welt an. Die ist ein schwarzes Podest auf Stelzen: ein Gelände mit Interkontinentalraketen irgendwo .in den USA. Auf Nordkorea sind die gerichtet und müssen, nimmt man Präsident Bushs Appell ernst, ebenso vernichtet werden wie jene vermeintlichen im Irak. Zwei Nonnen als verlängerter Arm Gottes haben sich dieser Mission verschrieben.

Außer der Säge stehen ihnen dazu Hämmer, Gummihandschuhe für die unerkannte Berührung des leuchtend roten Atomsprengkopfes, christliche Spucke und ein bescheidenes Arsenal von Schimpfwörtern zu Gebote. »Wir sind unberechenbar«, schleudern sie ihrem Feind entgegen. Doch der zeigt sich nicht Fatalerweise umhüllt eine gütige Ohnmacht Assunta jedes Mal, wenn sie in produktive Rage gerät. Dann träumt sie von einem Fußballspiel mit seinen festen Regeln und dem klaren Gegner.

Die Vorstellung, von Kampfhunden angegriffen zu werden, facht das edle Märtyrertum der radikalen Rächerinnen an. Auf den roten Auslöseknopf zu schlagen, trauen sie sich indes nicht, wollen lieber ein geharnischtes Protestschreiben hinterlassen, Doch das Blut einer Verletzung reicht nicht als Tinte. Als ihr plüschiger Begleiter, ein Präsidenten-Affe mit USA-Flagge, mal muss, entpuppt sich der glutige Knopf plötzlich als leerer Topf.

Die naiven Nonnen wähnen sich jedoch von der Bombe zerfetzt im Paradies und legen ihre Kleider ab; Im Fußballdress greifen sie an, wieder ohne sichtbaren Gegner, mit dem Affen als Schiedsrichter. Sie siegen, haben einen Wunsch frei: Entnervt von so viel gegnerischer Unfairness fällt ihnen nichts ein. Den Zuschauer entlassen sie jedoch durch die latenten Stimmungsumschwünge und den sparsamen Einsatz der Objekte ebenso unterhalten wie angeregt.

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