erschienen am 13.05.2002 von Adrienne Braun bei Stuttgarter Zeitung
Manche Dinge sind so traurig, dass man sie einfach vergessen möchte, verdrängen, wegschieben, als seien sie nie geschehen. Nicht leicht allerdings, wenn einem Mädchen Vater und Mutter plötzlich wegsterben und das Leben anders als zuvor ist. Die kleine Maria schweigt, träumt, verkriecht sich in ihr Inneres, um nichts mehr hören, sehen, fühlen zu müssen von dieser kalten Welt.
Es kommt, wie es in der Literatur meistens kommt, sie muss zur strengen, reichen Großmutter, aber kann Geld die Eltern ersetzen? "Maria auf dem Seil" nennt sich ein Kinderbuch der brasilianischen Autorin Lygia Bojunga Nunes, dessen sich nun das Figurentheater Wilde & Vogel angenommen hat. Gemeinsam mit der Schauspielerin Ines Müller-Braunschweig haben der Figurenspieler Michael Vogel und die Musikerin Charlotte Wilde ein Kinderstück erarbeitet, das nun im Fits Premiere hatte.
Zart ist dieses traurige Stück, sanft, leise, anrührend und voller Atmosphäre. Klänge, Melodien, Geräusche schwirren durch den Raum. Ines Müller-Braunschweig und Michael Vogel beginnen im Zirkus, dort, wo die kleine Maria aufgewachsen ist. Sie wechseln geschickt die Rollen, spielen mit Figuren und Schatten und tasten sich allmählich an die Wahrheit, die grausame Erinnerung heran: die Eltern, Seiltänzer, sind abgestürzt bei ihrer großen Nummer.
Ein liebevoll erzähltes Kindertheater, behutsam und schön, vielfältig in den Ausdrucksformen. Eine Reise in den Zirkus und in die Seele eines Kindes, frei von falschem Pathos, einfühlsam und klug präsentiert.