erschienen am 16.10.2007 von C. B. bei Stuttgarter Zeitung
Schön und lecker tröpfelt die Schokolade über die Rundungen des Schokoladenbrunnens. Und lasziv leckt sich Daniela Hense die Finger, über die ein bisschen süße Masse gelaufen ist. Da steht die Inhaberin einer Chocolaterie nun, und sie kann nicht anders, als immerfort jenen tiefbraunen Lustquell anzupreisen. „Schon als Kind“, so erzählt sie in dem Theaterstück „Schokolade", „suchte ich nach der Stelle im Mund, wo ich die Praline in Sicherheit bringen konnte“. Auf der Bühne des Theaters am Olgaeck steht Daniela Hense in einer adretten, nett altmodischen Verkäuferinnenaufmachung: rotes Kleid mit weißer Schürze und weißem Häubchen. Hinter einem Verkaufswägelchen agiert sie schokoproduzierend. Sie kocht, garniert mit einer Spritztüte Gebäck und schiebt Pralinen in einen knallroten Minikühlschrank.
Und Hense mischt sich circa alle zehn Minuten unter die Zuschauer, um auf kleinen Tabletts delikate Schokoteilchen anzubieten. Daniela Hense, die an der staatlichen Schauspielschule in Stuttgart Figurentheater studiert hat, ist eine absolut überzeugende Genussproduzentin. Und dann erzählt sie diese unerhört rührende Geschichte „Sankt Nikolaus in Not" des Flamen Felix Timmermans. Es geht um ein bettelarmes Kind, das sich nicht einmal mit Seife waschen kann. Sehnlich wünscht es sich ein gewaltiges Schiff ganz aus Schokolade, das im Laden einer hartherzigen Schokogeschäftsfrau steht.
Hense, die Chocolatiere mit den schwarzen Pumps und den knallroten Lippen, rezitiert in einem Rührungstonfall, der nur ganz leicht ironisch angeraut ist. Sie spricht eher langsam und trifft wunderbar den Märchenton von Timmermans' Geschichte. Die zarte Komik von Daniela Henses Spiel (Regie: Michael Speer) macht den Reiz des einstündigen Abends aus. Wenn Hense im Schokoladentopf rührt und dazu einen italienischen Schlager trällert, dann ist alles, alles gut. C. B.