Lukas Schneider Figurentheater zeigt im FITZ „Das Märchen von Maus, dem verwunschenen Königskind“
erschienen am 03.07.2025 von Petra Bail bei Fidena Portal
Wen oder was man liebt, spielt gar keine Rolle – Hauptsache, man ist glücklich. Diese Botschaft vermittelt Lukas Schneider Kindern ab sechs Jahren mit der zeitgenössischen Variante des finnischen Märchenklassikers „Die Braut aus dem Wald“.
Es fängt ganz klassisch an: der alte Bauer will abdanken und seinen Hof dem Nachwuchs überlassen. Einzige Bedingung, die drei Jungs sollen heiraten: „das macht man so.“ Dieser Satz, der auf überholte Tradition verweist, taucht im Lauf der kurzweiligen 50 Minuten immer wieder auf und wird am Ende auf wunderbare Weise aktualisiert und erweitert. Drei gefällte Bäume weisen den Weg, auf dem die jungen Männer nach Bräuten suchen sollen: der Älteste geht nach Norden, der Mittlere nach Süden; nur der Stamm des Jüngsten weist in den Wald. Schöne Pleite, denken alle und werden überrascht.
Der jüngste Sohn, ein Außenseiter, ist der wahre Held der Geschichte. Was zunächst nach einer klassischen Märchenkonstellation aussieht, entwickelt sich schnell zu einer berührenden Story über Toleranz, Vielfalt und innere Schönheit. Denn er trifft auf Maus. Viele finden Mäuse eklig und abstoßend, doch der dritte Sohn hat seinen Herzensmensch gefunden. Er erkennt das Liebenswerte und Besondere in der unscheinbaren, grauen Hülle. Oder hört er es? Die sanften Klänge, die Musik, das gemeinsam gesungene Lied schaffen eine tiefe Verbindung – unterschiedliche Optik hin oder her. Mit jedem Ton, der fein mit Spiel und Text verwobenen live Musik, verdichtet sich im Zauberwald die Welt voller Poesie.
Lukas Schneider hat ein ebenso schlichtes, wie effektvolles Bühnenbild mit Wow-Effekt geschaffen. Schillernde Lametta-Fäden, die vom Bühnenhimmel bis zum Boden reichen, symbolisieren in stimmungsvoller Lichtregie den Wald, in dem eine ganz besondere Liebesgeschichte beginnt. Schneider nutzt das Figurentheater, um kindgerecht Fragen nach Körperidentität, Fremdwahrnehmung und Selbstakzeptanz zu stellen. In Verbindung mit der Musik von Nasti und dem Gesang des ausgebildeten Baritons Johannes Worms entsteht eine Atmosphäre, in der sich komplexe Themen ganz leicht anfühlen dürfen, ohne banal zu wirken.
Die von Lukas Schneider, Gewinner des Fritz-Wortelmann-Preises 2023, handgefertigten Klappmaulpuppen, sind bis in die fellartigen Haarspitzen sorgfältig gestaltet. Diese Topmodelle des Figurenbaus bestechen durch den Charme des Unvollkommenen. Man kann sich nicht satt sehen an den verschrobenen Gesichtern, die Emotionen zu spiegeln scheinen, und die perfekt geführt, das Publikum durch eine fantastische Reise lotsen, an deren Ende die Freiheit winkt.
Der Jüngste fasst sich ein Herz und stellt Maus seinem Vater vor. Auf dem Weg dorthin verwandelt sich Maus, eigentlich ein verwunschenes Königskind, durch die Kraft der Liebe zurück. Aber nicht in eine Prinzessin, wie im klassischen Märchen, sondern in einen Prinzen. Die Brüder feixen, der Vater freut sich, Hauptsache, sein Sohn ist glücklich. Egal, wer oder was jemand ist, die Liebe zählt. Prinz-Maus sorgt dafür, dass auch seine Entourage, die ihm im Wald so treu zur Seite gestanden hat, versorgt ist. Unzählige kleine Mausis dürfen von nun an auf dem Hof leben und werden nicht verjagt: „Das macht man jetzt so“, beschließt der Vater, ein klares Zeichen gegen verstaubte Traditionen. Niemand muss sich mehr verstecken, alle dürfen frei und sichtbar sein.
Die wohltuend-schnörkellose Inszenierung von Hannes Kapsch zeichnet sich durch eine straffe Handlung aus und ist dabei doch voller Poesie und magischer Momente. Seine präzise Regie sorgt dafür, dass die Märchenfiguren auch im Fantastischen authentisch bleiben.
Lukas Schneiders Stück um Geschlechteridentität sprich ein breites Altersspektrum an. Vierjährige verlieren sich in der glitzernden Märchenwelt und ältere Kinder begreifen spielerisch die darunterliegenden Themen. Für das erwachsene Begleitpersonal ist die Geschichte eine Einladung, eigene Sehgewohnheiten zu hinterfragen, vielleicht auch die Art, wie wir über Körper und Zugehörigkeit urteilen und wie wir einander sehen. Zwischen sorgfältig gestalteten Figuren und poetischer Bildsprache öffnet sich ein Theaterraum, der große und kleine Zuschauende auf sehr unterschiedliche berührt, ganz ohne pädagogischen Zeigefinger.
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