Das Figurentheater Tübingen zeigt im Fitz das Stück „Heimat.Abend"
erschienen am 06.06.2009 von HORST LOHR bei Stuttgarter Nachrichten
Es gibt nicht viele Begriffe in unserem Sprachschatz, die so verschwommen sind wie das Wort Heimat. Hohe Zeit also für das Figurentheater Tübingen, Licht ins Dunkel unserer Gefühls- und Gedankenassoziationen zu bringen. Bei dem Stück „Heimat.Abend" wird das Alphabet der diffusen Hei-. matklänge nach allen Regeln fantasievoller Bühnenkunst durchdekliniert.
Angetrieben vom folkloristisch-geheimnisvollen Soundtrack der Musiker Stefan Mertin und Johannes Frisch forschen die Figurenspieler Karin Ersching und Frank Soehnle am Donnerstagabend im Fitz zusammen mit dem Schauspieler Georg Peetz bei ihrem urkomischen und bildstarken Laborversuch nach der ultimativen Formel zwischen Flädlessupp und Heimatfront.
Während Georg Peetz Dichterworte von Rainer Maria Rilke oder Peter Handke zitiert, tauchen in atemberaubender Geschwindigkeit Musterexemplare der Objekte auf, die häufig zur Produktion klebriger Heimattümelei verwendet werden: Auf dem Seziertisch der Spieler mutiert ein Hirschgeweih zum Schlagzeug. Akkordeon und Tuba spielen das stumme Duett der PC-Tastaturen. Die drei Darsteller verwandeln sich in Gemsen und Teufelsfratzen. Oder sie drehen sich in einen aberwitzigen Schwänzeltanz der Bollenhüte. Im Gleichschritt schwebt, angetrieben vom Marsch „Wie schön ist es, Soldat zu sein", eine Püppchen-armada der Schwarzwaldmädels in Plastikverpackung durch den Raum.
Wie bei diesem liebevoll-ironischen Tanz durch die Vielschichtigkeit von Heimatgefühlen schließlich aus einem Blumentopf noch ein majestätischer Pflanzenadler als lächerliches Symbol wehrhaften Nationalstolzes sprießt, sollte man sich nicht entgehen lassen.