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Skandal am Königshof

„Die Halsbandaffaire“ frei nach Goethes „Der Groß-Cophta“ am Stuttgarter Fitz

erschienen am 26.01.09 von Petra Bail bei Esslinger Zeitung

Stuttgart - Drei Löffelchen Katzenpipi und drei Scheiben Hirn eines bedeutenden deutschen Dichters auf großer Flamme gekocht genügen dem Scharlatan Cagliostro für eine magisch-alchemistische Theatershow, die das Publikum fast zwei Stunden bei der Stange hält. Die Stuttgarter Figurenspielerin Stefanie Oberhoff und ihr kongolesischer Kollege Lambert Mousseka haben aus Goethes Lustspiel „Der Groß-Cophta“ eine intelligent-unterhaltsame Figurentheatercollage geschaffen, die jetzt unter der Regie von Marcel Keller im Stuttgarter Fitz Premiere hatte. „Die Halsbandaffaire“ ist ein aus vielen Genre-Einzelteilen zusammengesetztes Spiel um Intrigen, Macht, Zauber und die Verführbarkeit von Menschen.

„Der Groß-Cophta“ nach einer wahren Begebenheit des Jahres 1785 zählt nicht gerade zu Goethes besten Stücken. Das Duo Oberhoff/Mousseka lässt die Erzählerin Jeanne de La Motte kräftig jammern darüber, dass „der Heilpraktiker der Deutschen“ sie ausgerechnet in seinem vermeintlich schlechtesten Stück verewigt habe. Die intrigante Hochstaplerin aus adligem Hause schildert rückblickend den von ihr angezettelten Skandal am französischen Königshof, der das Ansehen von Königin Marie Antoinette in der Öffentlichkeit heftigst demontiert hat.

Kopf und Kragen gekostet

Die Königin sitzt in voller Montur auf der Bühne, das Gesicht - wie das Bild, das man von ihr hat - umrahmt: Die Steinchen des Anstoßes glitzern freischwebend verführerisch im Scheinwerferlicht. Plötzlich bricht das wertvolle Collier, und die Diamanten kullern in alle Richtungen. So beginnt die Affäre um Geld- und Machtgier, die häufig als Vorbote der französischen Revolution gewertet wird und indirekt die später hingerichtete Marie Antoinette Kopf und Kragen gekostet haben soll. Oberhoff und Mousseka machen deutlich, dass unverfrorene Betrüger und bereitwillige Gutgläubige eine psychologisch spannende Symbiose eingingen. Am Ende heißt es in schönstem Hessendialekt: „Die süße Lüge ist dem Menschen immer lieber als die bittere Wahrheit.“

Mit Fadenmarionetten, Masken, Handpuppen und viel Zauberei erzählen die Darsteller die verzwickten Lügenkonstrukte der Comtesse La Motte, die nur noch „die Motte“ genannt wird und tatsächlich wie ein Insekt Marie-Antoinette umschwirrt. Benutzt wird der leichtlebige Kardinal Rohan, der, um die Gunst der Königin zu erlangen, auf den Betrug mit gefälschten Briefen und einer gedoubelten Monarchin hereinfällt. Hinzu kommt ein Juwelier, der sein nach heutigen Maßstäben mehrere Millionen Euro teures Luxuscollier, das er für die Mätresse des verstorbenen Ludwig XV. gearbeitet hat, unbedingt verschachern möchte.

Oberhoff, Mousseka und Sabine Effmert stehen nicht nur hinter den kleinen Figuren, sondern treten mit witzigen, kommentierenden Einlagen aus deren Schatten. Für die magischen Tricks wurde Nils Bennett gewonnen, einst „Deutscher Meister der Manipulation“. Entsprechend pyrotechnisch effektvoll sind die alchemistischen Experimente, wenn Cagliostro den Beteiligten Geld und Gold aus seiner Hexenküche verspricht. Feuer, Licht, Rauch, Nebel und viel Gestank begleiten die Auftritte des Zaubermeisters, der seine Fingerfertigkeit nicht nur am Regierungspuzzle mit Holzklötzchen demonstriert.

Cha-Cha-Cha mit Gerippe

Kleine Intrigen kann ein Staat verdauen, ein Aufstand ist schon ein größerer Brocken, den sich eine funktionierende Regierung aber auch noch einverleibt, ohne dass es den staatstragenden Rahmen sprengt. Dass aber ein kleines Halsband die Monarchie Frankreichs erschütterte, scheint Magie zu sein. Schließlich endet das ganze Spektakel im rhythmischen Cha-Cha-Cha mit dem Gerippe des Magiers, der den Kopf des Dichterfürsten trägt und durch ihn als „Groß-Coptha“ unsterblich geworden ist. Und die Spieler erklären, was unsterblich in Wahrheit bedeutet: „Du bist tot, und die müssen dich immer noch lesen“. „Ach, du meine Güte“, haucht der Kardinal.

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