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Strohhüte treiben Schabernack

Das Materialtheater eröffnet mit „Don Quijote“ im Fitz sein Festival. Adrienne Braun

erschienen am 11.11.2017 von Adrienne Braun bei StZN

Die schlechte Nachricht servieren sie gleich vorab: An einem Theaterabend sei es nicht möglich, den „Don Quijote“ zu erzählen. Die 1400 Seiten des weltberühmten Werks von Miguel de Cervantes könne man nicht so einfach auf die Bühne bringen. „Selbst wenn wir parallel sprechen, ist es unmöglich.“ Natürlich schaffen es Sigrun Kilger und Annette Scheibler trotzdem, die Abenteuer dieses Ritters der traurigen Gestalt zu vermitteln, denn der Text ist nur das eine. Beim Ensemble Materialtheater erzählen auch die Objekte kleine, feine Geschichten. Diesmal sind es Handbesen, Bürsten und Kochlöffel, die zum Einsatz kommen, Plastikbecher und staubige Decken. Einmal kopulieren sogar zwei riesige Strohhüte miteinander, schnell und diskret.

Seit dreißig Jahren besteht das Stuttgarter Ensemble Materialtheater, es hat sein Jubiläumsfestival im Fitz nun mit einer Premiere eröffnet, die auf amüsante Weise bestätigt, warum das Team so eine wichtige Rolle im Figurentheater spielt – weil sich Einfallsreichtum, Selbstironie und staubtrockener Humor kongenial verbinden. Figuren, Bilder, Musik und Schauspiel berühren und verführen dazu, nicht nur am Gängelband der Ratio durch die Welt zu streifen. Deshalb haben sich Sigrun Kilger und Annette Scheibler den Don Quijote vorgenommen, der „geglaubt hat, was in den Ritterbüchern stand“. Er verwechselt Schänke mit Burg und hält Prostituierte für Edeldamen.

Eingekleidet in die Geschichte zweier Schwestern von der Schwäbischen Alb, erzählen die beiden auf Schwäbisch und Schweizerdeutsch die Abenteuer dieses fahrenden Ritters. Der ist eine zerknautschte Puppe, die auf einem alten Folianten reitet, während der kleine Sancho Panza auf einer gerollten Wolldecke durch die Mancha hoppelt. Ein rührendes Duo, das von einer Schlägerei in die nächste gerät und sich von der Wirklichkeit doch nicht beirren lässt. Fantasie ist Trumpf.

Gemeinsam mit Ulrike Monecke und Alberto García Sánchez haben Scheibler und Kilger köstliche Ideen und Szenen entwickelt, die sie singend und mit Gitarrenspiel garnieren. Sie prügeln sich pantomimisch, dass die Zähne nur so fliegen – weiße Drops. Dann wieder tragen sie zwei Pappkartons fort – „die Dorfkirche, die immer kleiner wird“. Manchmal sagen sie auch nur: „Das müssen Sie sich jetzt mal selber vorstellen.“ Himmelschreiende Torheit? Mag sein, aber ein wenig Verrücktheit schadet nicht, so die Botschaft dieses gelungenen Festivalauftakts.

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