Schwarz-weiße Magie: Die Uraufführung von „R.O.O.M
erschienen am 1348876800 von Horst Lohr bei Stuttgarter Nachrichten
Über zwei Wände nur verfügt der enge Raum. Einer Fata Morgana gleich wachsen ihm Türen und Fenster, um immer wieder zu verschwinden. Für die Frau, die es hierher verschlagen hat, gibt es kein Draußen. Wie ein beutegieriges Raubtier hält das seltsame Zimmer sie gefangen.
„R.O.O.M" heißt die neueste Produktion des Stuttgarter Figurentheaters Meinhardt & Krauss - eine faszinierende theatralische Reflexion über eine digitalisierte Welt, in der virtuelles Leben das reale aufsaugt. Die Uraufführung dieser über weite Strecken wortlosen Bühnenarbeit mit ihrer suggestiven Bildsprache inszenierte Michael Krauss als kafkaesken Albtraum. Der nur eine Stunde kurze Abend fesselt vor allem wegen des intensiven Ineinanders von Darstellung, Figu renspiel, Videokunst (Oliver Feigl), Musik (Thorsten Meinhardt) und der Illusionstechnik von Nils Bennett. Die Inszenierung lässt einen verstörend schönen Kosmos des Surrealen entstehen. In ihm verliert sich die Figurenspielerin Iris Meinhardt beim zaghaften Tasten nach einem Ausgang aus ihrem virtuellen Gefängnis. Doch das bedrohliche Zimmer weist sie ständig zurück.
Raffinierte Videoinstallationen verbunden mit geheimnisvollen Geräusch- und Musikcollagen lassen die Wände des Zimmers bersten und wieder zusammenwachsen. Aus einem umgestürzten leeren Glas fließt ein weißer Milchsee, aus dem die Spielerin ihr inneres Kind in Gestalt eines zerbrechlichen
Püppchens trinken lässt. Der Magie dieser langsam auftauchenden und wieder verfließenden Schwarz-weiß-Gemälde kann man sich nicht entziehen.
Streng komponierte Formen lösen sich mit Gegenständen aus der Realität ab. Eine alte Standuhr und eine wacklige Stehlampe tauchen auf. Als Zeugen aus der Vergangenheit der Frau, als sie noch nicht Gefangene des unheimlichen Raums war. Seine Macht vermag ihren Körper in Stücke zu brechen und die Fragmente wieder zum Ganzen zu fügen - eine besonders intensive Szene einer Auf führung auf künstlerisch hohem Niveau.