Doppelpremiere im Fitz: „Best of Mata Hari" und „Die Gräfin"
erschienen am 14.03.2015 von Petra Bail bei Esslinger Zeitung
Stuttgart Bei der jüngsten Ladies-Night am Figurentheater Stuttgart feierten zwei Stücke Premiere, die sich das Dasein freier Künstlerinnen auf die Fahnen geschrieben haben: vier Frauenschicksale, zwei sehr unterschiedliche Bühnenproduktionen, die sich aber ganz gut ergänzen, iiandmaids Berlin präsentiert den Biographiemix „Best of Mata Hari" mit Sabine Mittelhammer. „Die Gräfin", vielen bekannt aus der „Halsbandaffäre", versucht mit dem spröden Charme alten Adels die Existenz ihrer Figurenspielerin Stefanie Oberhoff aus Stuttgart zu sichern. Mythos, Zigarettenmarke. Computerspiel und Namensgeberin für unzählige Musiktitel: Das alles ist Mata Hari. sicherlich die erste exotische Nackttänzerin und möglicherweise raffinierte Doppelspionin, die in Paris vor und während des ersten Weltkriegs Karriere machte. Diese schillernde Persönlichkeit samt ihren Brüchen auf die Bühne zu bringen. ist ein Wagnis. Geglückt ist es nicht, auch wenn es einige bemerkenswerte Momente gibt. Im einstündigen Schweinsgalopp jagt Sabine Mittelhammer durch das facettenreiche Leben Mata Haris, die als Margaretha Geertruida Zelle 1876 in Holland geboren wurde. Lebensstationen, die Heirat des 20 Jahre älteren Kolonialoffiziers, Aufenthalte auf Java und Sumatra, Tanzkarriere und der Kampf ums materielle Überleben werden nur stroboskopartig beleuchtet und bleiben schablonenhaft wie die Pappfiguren, hinter denen die Spielerin verschwindet. Dann ist nur das Gesicht samt der eindrucksvollen Mimik im Kopfausschnitt zu sehen. Was Mittelhammer da leistet ist toll - im Gegensatz zum angedeuteten Striptease hinterm Pa-ravent als laszives Schattenspiel. Das wirkt samt Musik kitschig. Immer wieder springt sie zwischen den Biographien, erzählt vom wechselhaften Leben der Erotiktänzerin und wirft die eigenen Probleme in die Waagschale. Der Spagat zwischen funktionierendem Sozialleben, künstlerischem Anspruch und dem Kampf um Einzelprojektförderung, durch die der Traum eines eigenen Theaters greifbar wäre, oder der Luxus, einfach mal morgens in der Badewanne zu liegen und niemand Rechenschaft schuldig zu sein, wirkt angestrengt.
Da wirkt „Die Gräfin" nach der Pause lockerer. Vermutlich ist es das Alter. Selbstbewusst fläzt die weißhaarige Lady auf dem kleinen roten Plüschsofa und raucht die Fluppe mit der Grandezza einer Diva. Der Zuschauer vergisst, dass er eine ganz kleine Stabpuppe vor sich hat. „Ich habe Goethe gespielt", verkündet sie init rauem Timbre und zitiert Thomas Bernhard, der über den Dichterfürst sagte, er sei nichts anderes als der Heilpraktiker der Deutschen, „der erste deutsche Geisteshomöopath". In diesem frechen, improvisiert wirkenden Duktus wird auch die klare Grenze zur Handmaids-Produktion gezogen. Als „altes Ego" erklärt sich die Gräfin zur Projektantragsgegnerin und damit zur Anti-Mata 1 iari. Sie sucht einen Galeristen oder wenigstens einen Mann für ihre vielseitige Spielerin und macht mächtig Werbung für ein Kinderprojekt im Kongo, unterstützt von der Musikerin Lilith Becker. Oberhoff sieht das spannende Format als neue „Strategie zur Weiterentwicklung der Menschheit". Im Plauderton einer Hotelbar werden Themen wie Identität und Umsiedlung mit Ironie und Tiefgang abgehandelt.