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3. März 2021

TakeCareResidenzen Li Kemme Sonia Franken

Li Kemme, Figurenspieler*in und Performer*in, Stuttgart | Sonia Franken, Choreografin, Köln

UTOP!E - Akte der Neuverortung

Li Kemme und Sonia Franken Choreographin planen eine interdisziplinäre Recherche zu Akten der Neuverortung. Was und wie würde ich als Künstler*in kuratieren? Würde ich überhaupt etwas anders machen? Wie können neue Visionen, Perspektiven und Strukturen entwickelt werden? Welche ästhetischen Formate kreieren oder fördern ein Zugehörigkeitsgefühl? Wie geht UTOPIE konkret?


05.02.2021

Derzeit wirft das Aufeinandertreffen der Künstler*innen und der unterschiedlichen Publikumsgenerationen im FITZ unter anderem konkrete Fragen nach Kontinuität und Wandel im und von Figurentheater auf. Die Szene steht vor kontroversen Fragen unter anderem in Bezug auf Ausdruckskontexten unterschiedlicher Sparten, gängigen versus neuen Rechercheformen, der Rollenverteilung innerhalb von Arbeitsprozessen und die Frage nach einer niederschwelligen Zugänglichkeit im Sinne einer diversitätsorientierten und inklusiven Öffnung.

Folgende Fragen treiben uns also in unserer Recherche um:

Wie kann die Identität des FITZ weiter befeuert werden, nämlich dass es ein Ort ist, der Mitgestaltung braucht und Teilhabe als erstrebenswertes politisches Statement in der Kultur verkörpert? Wo beginnt die Arbeit des Kuratierens? Welche Bereiche müssen miteinbezogen werden, um ein ganzheitliches Angebot zu schaffen, damit das Haus nicht nur Spielbetrieb fördert, sondern auch soziale Struktur prägt und unterstützt? Denn um als freischaffende*r Künstler*in Theater zu machen, braucht es eine Struktur an Training, Lehre, Forschung und Austausch unter Kolleg*innen und einem diversem Publikum. Wie wird das Programm dahingehend an anderen Häusern gemacht, wie machte es das FITZ und was würde ich anders machen? Und wie sähe Kuration auf einer basisdemokratischen Grundlage aus, die sich an den Bedürfnissen der Künstler*innen und dem Publikum orientiert?

Wie könnte sich außerdem eine Öffnung der Theaterleitung gegenüber uns Künstler*innen dazu nutzen lassen, bestehende Hierarchien des Theaterbetriebs in Frage zu stellen und nachhaltig zu verändern? Und wie lässt sich dieses Unterfangen unter Einbezug der jüngeren und älteren Kolleg*innen umsetzen? Denn, welche Formate kreieren oder fördern ein Zugehörigkeitsgefühl von Seiten der gesamten Szene und vermeiden ein Auseinanderdriften der Generationen? Und auch, wie kann sich ein Theaterbetrieb, der auf lange Traditionen zurückschaut, mutig der Befragung der Kunstproduktion stellen? Warum ist die Struktur der sogenannten Freien Szene schützenswert und gleichermaßen ausbaufähig. Durch und für wen? Wie kann zeitgenössisches Figurentheater Gesellschaft widerspiegeln, reflektieren und transformieren? Wie können wir als Freie Kunstschaffende unsere Strukturen erhalten, weiterentwickeln, an ihnen teilhaben und sie zukünftig gestalten?

Wie geht Utopie konkret?

Unsere CV

SONIA FRANKEN (D/ UK) ist Choreographin und Gründungsmitglied der Performance Kollektive El Cuco Projekt (2015), Bauchladen Monopol (2004) und Polar Publik e.V. (2020). Sie arbeitet an der Schnittstelle von Choreographie und Bildender Kunst, vorwiegend unter dem Label El Cuco Projekt in diversen Kontexten an skurrilen Performances mit (Tier)Masken. 2018/2019 wurde sie für ihre künstlerische Arbeit durch die Sk Stiftung KölnBonn mit einem Stipendium ausgezeichnet. Ihre anschließende Produktion SCREAM!NG MATTER wurde 2020 für den Kölner Tanzpreis nominiert.  Ein weiteres Arbeitsfeld von Sonia Franken ist die intensive und langjährige Auseinandersetzung mit Tanzvermittlung; in Form von (Schul)Projekten mit Kindern und Jugendlichen, Lehraufträgen der Universität zu Köln sowie in der Fachlichen Begleitung von KollegInnen in diesem Feld. Sie ist mit ihrem Atelier 3.28 im Kunsthafen Köln beheimatet, Mitglied bei Barnes Crossing und Sprecherin für die Sektion Tanz in der Interessenvertretung KulturNetzKöln. www.choreographie.org

Li Kemme. Stuttgart (* Erlangen), absolvierte 2019 den Abschluss im Fach Figurentheater (B.A. an der HMDK Stuttgart). Seitdem arbeitet er_sie als freischaffende_r Künstler_in im Bereich Figurenspiel und unter anderem in Performance, Bau und Musik. In der eigenen Arbeit sucht er_sie nach der Kombination von darstellender und bildender Kunst mit einem performative Ansatz, in dem das Publikum als Bestandteil des Geschehens integriert wird. Material, Objekt und Figur sind dafür die Basis und der inspirierende Ausgangspunkt. Zu ihrer_seinen Arbeiten gehören unter anderem das installative Kurzformat "Echo of an End“ (an der HMDK Stuttgart, 2017), wofür er_sie 2019 den "Fritz-Wortelmann-Preis" für professionellen Nachwuchs im Figurentheater erhielt, das visuelle Theaterstück „Ich bin gut isoliert“ (mit Britta Tränkler, 2019), die Lecture-Performance „Komplex! Außer M. weiß niemand das Barbie Feministin ist“ (mit Kompanie 110, 2020), die Konzert-Theater-Performance „Um Berge zu vernetzen“ (mit Objektband „Gerdas Knochen“, 2020), die bespielte Installation „HEART-That I might never fail to tell you“ (im Rahmen von „The Temple“ im Westflügel Leipzig e.V., 2020). Er_sie befindet sich derzeit in künstlerischen Forschungen:  #TakeCareResidenzen mit: Utopie! konkret - Akte der Neuverortung und Fidena-Stipendium „Eigentlich anders“ mit: Denk Mal Langer Atem// To Think A Long Breath.


4.3.21

Zwischenresümee

1. Wie geht es eurem Projekt mit euch?

Zuweilen wird es mit großen Augen angestarrt und verschwimmt dabei in Brei, weil seine Zusammenfassung nicht möglich ist und Differenzen fordert. Zuweilen lacht es sich kaputt und sagt: ne das ist nicht meine Aufgabe, das können die Nachfolgerprojekte machen. Zuweilen fügt es sich so, als wäre es vorbestimmt und zuweilen driftet es auseinander, weil es das Unerwartete befördern wollte. Zuweilen besteht es nur aus Emails, die geschriebene Gedanken sind, Anfragen, Verträge, jetzige Momentaufnahmen als Bild- und Videomaterial von vergangenem Jetzt in real-körperlicher Sinnlichkeit, nun also Wörter, Buchstaben, letztlich 0 und 1 in Glasfaserkabeln, die noch nicht verlegt wurden und das Projekt findet uns deshalb extrem saftig, wenn es sich in Relation zu uns setzt. Zuweilen macht es uns Euphorie und Lachen, weil es uns Gespräche mit Expert_innen, Bestärker_innen, Neugierer_innen beschert, einfach so, total nett, weil wir uns ja auch kümmern. Zuweilen macht es sich rar, weil es so gar nicht stattfinden kann, wie wir uns das erträumen, wir jugendlich Naiven, es sagt uns das aber auch zuweilen: jung naiv ist das neue klug. Zuweilen lässt es uns gegenseitig kennenlernen im Team und das ist auch gut so. Zuweilen muss das jetzt entspannt durchgezogen werden und findet es witzig und etwas beängstigend, dass wir auch noch sagen wollen: so und nun immer weiter MUTIG VORANSCHEITERN!!

2. Was hat euch in den ersten vier Wochen am meisten überrascht?

Dass am Anfang nur eine Idee und eine riesen Motivation war aber noch keine Visionen, keine klaren Vorstellungen und dass das dann entstanden ist, sie wohl irgendwann da waren und wir manchmal plötzlich überrascht wurden über Formen, die sich bildeten, und wir sie kurz sehen konnten. Ja vielleicht ist das Überraschende, das Stolpern. Das über etwas stolpern, während man so mit Fernglas rumguckt, in der Ferne im Horizont, soweit hinausschauen, dass man wieder zurückschaut, in die Vergangenheit und dann hoppla _ !!!

3. Könnt ihr etwas beschreiben/zeichnen/fotografieren, das ihr in zweite Hälfte eurer Residenz mitnehmen würdet? Warum gerade dieses?

Das Spiel mit anderen (Bild ist aus wikiwand.com)


16.03.2021

Li Kemme Figurenspieler_in und Sonia Franken Choreographin haben sich in ihrer interdisziplinären Recherche Fragen zur bestehenden Figurentheater-Struktur und deren Leerstellen gestellt. Zusammen recherchierten sie zu dem Thema, wie und ob freie Kunstschaffende diese Strukturen erhalten, weiterentwickeln und an ihnen teilhaben können, um sie zukünftig zu gestalten. Daraufhin haben sie sich Formate überlegt, durch die diese Fragen in einem tatsächlichen Theaterprogramm realistisch umsetzbar gemacht werden können. Somit ging die Beschäftigung mit Akten des Kuratierens einher und es wurden konkret Künstler_innen aus der Szene gesucht und besprochen. Durch gemeinsame Gespräche mit den durch die Recherche aufgespürten Künstler_innen und Kulturschaffenden, konnten Visionen für konkrete Umsetzungen gesammelt und formuliert werden. Coronabedingt fand das Forschen und ins Gespräch kommen zu einem hohem Anteil digital statt – worin gleichzeitig Grenzen und neue Möglichkeiten lagen: der Stipendienzeitraum ermöglichte die individuelle und gemeinsame, aktive und spielerische Auseinandersetzung mit diesen neuen Arbeitsstrukturen. Kemme/ Franken haben mittels Online-Organisationsplattformen visuell gearbeitet und konnten so ohne Kontakt, aber gemeinsam an einem Tisch arbeiten. Das können sie für kollektives, basisdemokratisches Zusammenarbeiten auf Distanz auch für die Zukunft weiterempfehlen. In weiterer Zusammenarbeit mit dem FITZ und dem Kollegen Jan Jedenak, als interdisziplinäres Künstler_innen-, think tank- und Organisation-Team, werden die Fragen, Erkenntnisse und neuen Zielsetzung des Stipendiums weitergedacht, gestaltet, diskutiert und hinterfragt, um so im Juni/Juli 2021 vier Wochen lang das Theaterprogramm im FITZ Stuttgart zu gestalten und neu zu verorten.

So wird versucht, die Utop!e konkret werden zu lassen.

Kontakt: li_kem_figurentheater@posteo.de