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Es rappelt in der Kiste

Ist das nur eine schnöde Schachtel? Oder eine ganze Welt? Die Figurenspielerin Sarah Wissner zeigt im Fitz mit „Raschel – Ein Stück Karton“ fantasievolles Materialtheater für Kinder ab drei Jahren.

erschienen am 24.01.2022 von Thomas Morawitzky bei StZN

Einem wie ihm ist jeder schon einmal begegnet. Er sieht aus, als habe er sich eben erst an einem Umzug beteiligt, oder als sei eine Waschmaschine in ihm geliefert worden. Keine Markennamen finden sich jedoch auf ihm – er ist nur schlichter, brauner, nüchterner Karton. Bis er erwacht, zu einem eigenen Wesen mit vielen Gesichtern und Stimmen wird, unter den Händen der Figurenspielerin Sarah Wissner und der Regie von Emilien Truche.

Freude, Spannung, Neugier

„Raschel – Ein Stück Karton“, so heißt ihr Stück für Kinder ab drei Jahren, am Samstag feierte es Premiere im Fitz – Zentrum für Figurentheater in Stuttgart. Erst ist da nur der Karton, gefaltet, die Spielerin trägt ihn vor sich her, man sieht sie nicht, nur ihre Finger, seitlich. Als Sarah Wissner dann erscheint, hinter der Pappe hervor lugt, haben die Kinder und ihre Eltern, gebannt im Zuschauerraum des Fitz, schon ein kleines Abenteuer erlebt: Da wird zuvor gekratzt, auf der dicken Pappe, werden Laschen hier und dorthin geklappt, wird das ganze Gebilde zur Seite geschoben, der Karton gründlich abgehört und erforscht. Das Gesicht der Spielerin spricht für sich und krönt diese erste Phase der Erkundung: Freude, Spannung, Neugier spiegeln sich in ihm. Und weiter geht’s.

Mal Höhle, mal Schildkröte

Nun wird der Karton beweglich, scheint erst einmal ein Tier zu sein, kriecht auf der großen freien Spielfläche schildkrötengleich umher, während Sarah Wissners Beine unter ihr hervorschauen. Er beginnt, sich zu entfalten, auf diese oder jene Weise, kippt weg, richtet sich wieder auf, bildet Höhlen, durch die sie kriecht, in denen sie verschwindet.

Ein Wunderding voll Fantasie und Klang

Dann die kurzen, schnellen Schläge, der Donner schwerer Hiebe, die Laschen, die sich öffnen wie kleine Türen und den Gesang der Spielerin heraus zu lassen scheinen, das Bein, die Arme, die immer wieder pantomimisch kecke Auftritte feiern. Sarah Wissner verwandelt die schnöde Schachtel in ein Wunderding voll Fantasie und Klang – und steht schließlich auf dem ganz ausgefalteten Karton, der fertigen Kiste, und freut sich über ihren Applaus.