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Künstler und Marionette im Tanz vereint

Stuttgarter Figurenspieler (III) Wir stellen drei Generationen herausragender Künstler vor, heute: Frank Soehnle

erschienen am 09.01.2017 von Brigitte Jähnigen bei StZ/StN

Stuttgart ist eine Hochburg des Figurentheaters. Außer in Berlin kann man bundesweit nur hier an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst den Beruf des Puppenspielers im akademischen Studium erlernen. Welche Vielfalt von Formen es in dieser Welt gibt, erzählen in unserer Serie drei Generationen von Figurenspielern. Heute: Frank Soehnle (53).Wem sich die Tür zur Hohentwielgasse 1 in Tübingens Altstadt öffnet, der verstummt. Engel mit riesengroßen Flügeln aus Torf, skurrile Drachen aus Latex, Flugwesen aus Plexiglas, Zwitterfiguren mit pinkfarbenen Fächern hängen an Wänden und Zwischendecken des alten Hauses. Es sind Marionetten, oft mit großen, feingliedrigen Händen, Gliederpuppen, an Fäden bewegbar, die ihrer Belebung durch einen Figurenspieler harren. „Schon als Jugendlicher habe ich Skulpturen geformt. Doch mit dem Moment des Fertigseins war ich nie zufrieden“, sagt Frank Soehnle. Er traf den Puppenspieler Albrecht Roser. „Auch er war an der künstlerischen Gestaltung der Marionette interessiert und wurde schon vor dem Studium ein wichtiger Lehrer für mich“, sagt Soehnle, ein gebürtige Stuttgarter.

Damals spielte Soehnle mit Musikern auf Straßen und in Kneipen und erlebte immer wieder: „Wenn zur Skulptur die Bewegung kommt, entsteht ein wahrer Moment. Das empfand ich als die geniale Verschmelzung von Bildender und Darstellender Kunst“.

Sein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart schloss Frank Soehnle 1987 als einer der ersten Diplom-Figurenspieler ab. „Albrecht Roser hatte sich für die Professionalisierung der Ausbildung stark gemacht. Vorher konnte sich jeder Figurenspieler nennen, der Beruf wurde weniger ernst genommen“, erinnert der Künstler an die frühen achtziger Jahre. 1991 gründete er gemeinsam mit der Sozialpädagogin Karin Ersching das Figuren Theater Tübingen als Freies Theater, gastierte aber auch immer wieder im Figurentheater (Fitz) Stuttgart.

„Nachtkonzert“ war die Inszenierung betitelt, mit er das Stuttgarter Publikum im Fitz Ende vergangenen Jahres begeisterte. Eine Produktion, in der sich der Kontrabassist Jesper Ulfenstedt (Komische Oper Berlin) und der Figurenspieler Frank Soehnle zu einem „Grand Pas de Deux“ trafen. Soehnle führt zu Kompositionen aus vier Jahrhunderten Materialien wie Straußenfedern, einen Fransenteppich, Papierblätter, aber auch menschengroße Figuren in einen Danse macabre, der keine Worte braucht. „Ein Text ist mir auf der Bühne meist zu konkret, alles, was von der Bewegung und der Musik kommt, ist mir wichtiger“, sagt der Meister des Figurenspiels. Texte inspirieren ihn dennoch, am ehesten Lyrik („die Rhythmik der Lyrik kommt der Sprache der Figur sehr nahe“). Auf der Bühne aber spart er mit Worten und lässt die Bilder sprechen.

Schon 1993 führte ihn eine Tour für das Goethe-Institut nach Südostasien. Seit damals ist Frank Soehnle weltweit unterwegs – seine oft nonverbalen Produktionen werden überall verstanden und sind vielfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Monica-Bleibtreu-Preis. Typisch sind die „sprechenden“, übergroßen Hände seiner Figuren und die fließenden Bewegungen des Spielers, wenn er Figuren und Materialien am Spielkreuz führt. „Die Hand ist die Verbindung von mir zur Figur, die Marionette nichts mehr als ein Pendel, das in Bewegung gebracht werden muss. Das empfinde ich als tänzerisch“, sagt der sympatische Künstler.

Figuren sieht er wie eine Skizze; erst auf der Bühne vollende sich der Prozess. Dazu braucht er das Publikum. Arbeitet das Publikum mit, macht die Inszenierung einen anderen Sprung. „Künstler, die ihre Produktionen im Fitz zeigen dürfen, sind wegen der Mischung dem Publikums aus figurentheatererfahrenen Stadtmenschen und Neugierigen, die mal eben vorbeischauen, beneidenswert“, findet er. „Wenn die Zuschauer mit meiner Geschichte mitgehen, bin ich glücklich und voll unglaublicher Zufriedenheit“, sagt Frank Soehnle.

Porträt Antje Töpfer

Porträt Jan Jedenak

 

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