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Magie des Spiels

erschienen am 17.02.2016 von Manfred Jahnke bei Fidena Portal

FIDENA DAS PORTAL DIE AKTUELLE KRITIK

Diese Geschichte könnte überall auf der Welt geschehen. Konsequent erzählen Sigrun Kilger, Annette Scheibler und Daniel Kartmann vom Ensemble Materialtheater Stuttgart und dem Théatre Octobre aus Brüssel zum Ton von Klangschalen erst einmal Geschichten von Beziehungen zwischen Eltern und Kinder aus aller Welt, bevor die eigentliche von Elisabeth beginnt. Das Mädchen schläft am Abend in ihrem Bett ein, beschäftigt mit dem drohenden Mathetest und vor allen Dingen mit der Vorstellung, wie zwischen A und B eine gerade Linie bestehen soll. Am nächsten Morgen aber findet sie sich nicht mehr in ihrem Zimmer wieder, sondern irgendwo auf der anderen Seite der Welt, neben Fazil und seinen drei Schwestern und ihrem Vater. Statt dem Auto ihrer Mutter vor dem Haus stehen nun dort drei Ziegen. Sie lässt sich neugierig auf diese neue  Wirklichkeit ein, zwischen Elisabeth und Fazil entsteht eine tiefe Freundschaft.

„Traumkreuzung“ spielt mit den Ebenen Traum und Wirklichkeit und gründet damit eine eigenartige Zwischenwelt, die niemanden unverändert lässt – und auch nur funktioniert, wenn sich die Träume verschiedener Menschen kreuzen. Das Ensemble Materialtheater lässt diese Welt auf magisch einfache Weise entstehen. In der Welt der Elisabeth herrscht die Farbe Türkis vor, in der anderen die Farbe Gelb. Der Spielraum wird zunächst von vier dünnen biegbaren Brettchen angedeutet, hinten in der Mitte hat Daniel Kartmann seine Musikecke eingerichtet, u.a. mit Klangschalen und Xylophon. Neue Räumlichkeiten werden durch Veränderungen in der Anordnung der Brettchen vom Ensemble selbst geschaffen. Zwei spitz zulaufende Brettchen deuten zusammen mit einer kleinen schwarzen Kommode und einem Hocker die Stadt an, für das außereuropäische Dorf deutet sich ein Zelt an. Ansonsten kommt dieses Spiel mit wenigen weiteren Requisiten aus, so dass ein hohes Spieltempo entstehen kann.

Sigrun Kilger, Annette Scheibler und Daniel Kartmann, der auch die Musik komponiert hat, treten nicht nur als freundlich dem Publikum zugewandte Erzähler auf, sondern haben darüber hinaus eine klare Haltung zu ihrer Geschichte, die sie humorvoll, fast augenzwinkernd erzählen. Und sie tun es mit einfachsten, aber nachdrücklichen Mitteln: Die Hände der drei Mitwirkenden verwandeln sich in die Gesichter von Elisabeth, Fazil und seinen Schwestern. Auf die Handinnenfläche sind Mund und Augen gemalt mit einer Nase aus Plastik – wieder türkis für die abendländische Welt, rot für die „gelbe“ Welt. Die Ziegen werden mit den Fingern dargestellt. Das alles hat einen hohen ästhetischen Reiz.

Zusammen mit dem Ensemble Materialtheater hat Alberto Garcia Sánchez seine Spielweise weiter entwickelt, die von der Leichtigkeit des scheinbar Improvisatorischen getragen wird und dabei eine wundersame Magie entwickelt. Und dies bei einer Geschichte, die für das gegenseitige Verständnis der Kulturen wirbt, von Schule und Kinderarbeit berichtet und davon, wie schön es ist, dass die Welt „bunt“ ist. Das ist gelungen, zumal diese Spielweise verhindert, dass das Spiel im Gutgemeinten hängen bleibt. „Traumkreuzung“ macht mit seiner Leichtigkeit nachdenklich.

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