erschienen am 07.05.2005 von Martin Juen bei Neue Vorarlberger Zeitung
Am Abend des Himmelfahrtstages offenbarte das Ensemble Materialtheater aus Stuttgart in zwei unterschiedlichen Beiträgen, dass zwei Menschen weit mehr zu leisten imstande sind als nur das Doppelte des Einzelnen. Schon die Energiegewinnung aus dem Dialog ist zwingend mit einzurechnen.
In "Freischwimmer" interpretieren Annette Scheibler und Alexandra Kaufmann die Geschichte jeher Nonnen, die - aus ihrer Sicht im Auftrag der Menschlichkeit - auf eine atomar bestückte Raketenbasis schlichen und mit Hämmern, die Handwerker allenfalls als Spielzeug deklarieren würden, auf 110 Tonnen schwere Schutzdecken aus Stahlbeton klopften.
Das Stück schildert die 52 Minuten, die den "Agressorinnen" vergönnt waren, um entdeckt zu werden, die Macht der Ohnmacht aus der Sicht der Ordensschwestern, die mehr mit sich selbst als mit Wachapparat und Kampfhunden zu ringen hatten. Etwa mit der Angst, etwas gewagt zu haben was nicht abschätzbar ist. Die Ohnmacht der Macht geriet exemplarisch: Die Justiz betrachtete den Vorfall als "Angriff auf die USA" und belegte die Nonnen mit unverhältnismäßigen Haftstrafen.
Unter der Leitung von Gyula Molnar boten Scheibler und Kaufmann im Pfarrsaal große Schauspielkunst und schliffen mit mimischer Akribie die Konturen der handelnden Personen, das Scheitern im Heldenhaften und die zuweilen lächerliche Staatsmacht heraus.