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Auf der Suche nach dem Ich

Mit „Intimitäten" starten die Tage des jungen Figurentheaters

erschienen am 5.11.05 von adr bei Stuttgarter Zeitung

Was bin ich? Eine einfache Frage. Bäcker, Metzger oder Künstler. Aber wer bin ich? Eine Frage, die Iris Meinhardt nicht zur Ruhe kommen lässt. Vor zwei Jahren hat sie ihre Recherche begonnen, fündig wurde sie noch immer nicht. In ihrem Solostück „Etwas vom Nichts" hatte sie damals ihren eigenen Körper zur Folie gemacht, auf die Bilder und Kleider projiziert wurden. Nun hat sich Meinhardt auf die Reise in ihr Inneres begeben mit dem neuen Stück „Intimitäten", das nun im Fitz Premiere hatte zum Auftakt der Tage des jungen Figurentheaters NEWZ. Bewaffnet mit einer kleinen Kamera saust Meinhardt über Arme und Beine, hinein in Ohr und Mund. Aber ist hier das Ich versteckt?

Gemeinsam mit dem Regisseur Michael Krauss hat Iris Meinhardt ein Hightechtheater entwickelt, das von Licht und dem Dialog zwischen Realem und projizierten Bildern lebt. Meinhardt, mit Reifrock und turmhohem Kopfschmuck, scheint in die Rolle einer Frau aus dem 16. Jahrhundert geschlüpft zu sein, die in den Zeilen eines alten Folianten liest und über das Ich reflektiert. „Ich liebe Bäume, Schäferhunde", sagt sie, aber es kommen immer neue Ichs dazu, bis sich das Ich in lauter Einzelteile aufzulösen scheint wie „Papierschnipsel".
Meinhardt und Krauss haben einige schöne Momente und Effekte gefunden. Wie schon in dem früheren Stück werden - auch nackte - Körper auf Meinhardts angezogenen Körper projiziert. Manchmal meint man, sie würde schweben oder durch die Luft radeln. Amüsant sind auch die Begegnungen zwischen ihr und ihrem Double auf der Leinwand. Die Technik erfordert höchste Präzision, Meinhardt arbeitet konzentriert und souverän. Aber der schöne Schein ist letztlich nur formales Spiel, die Auseinandersetzung mit dem Ich ist optisch, nicht inhaltlich motiviert. Der Text bleibt unverständlich, den starken Bildern fehlt die Substanz. adr

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