Kongolesisch-deutsch-französische Produktion „Le Cadeau" bei der Festwoche des Figurentheaters im Fitz
erschienen am 04.04.2006 von Petra Bail bei Esslinger Zeitung
Stuttgart - Die Beziehung zwischen Afrika und Europa ist auf den Hund gekommen. Ein hechelnder Flokati mit wedelndem Schwanz hängt an Schnüren und tut, was ein Marionettenhund eben tut, auch wenn er ziemlich groß ist. Er bewegt sich so, wie es die Strippenzieher im Hintergrund wollen. Die feine multikulturelle Gesellschaft, die auf Einladung der Frau des deutschen Botschafters im Kongo einer kulturellen Vorführung beiwohnt, hält die Fäden in der Hand. Das ist der äußere Rahmen für „Le Cadeau" (Das Geschenk), eine kongolesisch-deutsch-französische Produktion, mit der die 16. Internationale Festwoche des Figurentheaters im Stuttgarter Fitz aufs Schönste abgeschlossen wurden. Die Geschichte selbst handelt von einem Hund als Held. Pinki gehörte ursprünglich einer französischen Prinzessin, die eine Internetbeziehung zu Leopard pflegt. Leopard lebt in Afrika. Zu seinem Geburtstag macht ihm die Prinzessin ein ganz besonderes Geschenk: Sie schickt ihm ihren Hund. Eine Katastrophe für alle Beteiligten - und die Odyssee interkultureller Missverständnisse beginnt.
Fressen kommt vor der Moral.
Da geht's in bester Brechtscher Manier ums Fressen, das allemal vor der Moral kommt. „Dinner for Dog" wird zum Festmahl für die kongolesischen Freunde von Leopard. Sie futtern begierig die mitgeschickten Hundeknochen und das feine Ragout für den Vierbeiner. Als Pinki selbst Hunger bekommt, will ihn seiner neuer Besitzer verkaufen als Festtagsbraten für einen Stammeshäuptling. Europäer essen Frösche und Salat. „So hat eben jeder seine Kultur", kommentiert die afrikanische Darstellerin.
Am Ende erhebt sich Pinki mit seinen afrikanischen Leidensgenossen über das ganze Elend und fliegt davon. Die multikulturelle Gesellschaft streitet sich, ob dies mittels Spiritualität oder moderner Technologie passiert.
Ohne moralisch erhobenen Zeigefinger wird hier mit den Mitteln der Satire auf die Schieflage des Verständnisses zwischen den Kulturen hingewiesen. Die Geschichte, obwohl hochpolitisch, wirkt so frisch und volksnah, dass die 90 Minuten Spieldauer viel zu schnell vorbei sind. Zum einen liegt das an den Spielern (drei von ihnen kommen aus der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa), die spielen, als ob sie improvisieren würden. Zum anderen an der Regie von Alberto Garcia Sänchez, der es den „Dolmetscherinnen" erlaubt, den Plot zu kommentieren.
Durch die Überzeichnung der Figuren und der Situationen werden gängige Vorurteile gekonnt ad ab-surdum geführt. Kolonialisierung, Unterdrückung, Korruption, Folklore, schreiende Ungerechtigkeit und Arroganz kommen aufs Tapet, ohne dumpf und niederdrückend zu wirken.
Mit viel Spiel- und Sprachwitz schwingen sich widersprüchliche Verhaltensweisen und Vorurteile zum tragenden Moment der Geschichte auf.
Afrikanischer Tanz und Gesang beleben die außergewöhnliche Produktion zusätzlich. Außerdem versteht man die Wortspiele und kabarettistischen Andeutungen, weil fast alle englischen, afrikanischen und französischen Passagen live übersetzt oder an die Wand projiziert werden. So wird aus einer Alltagsproblemsammlung ganz wunderbares Figurentheater.