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Fesselnd von der ersten bis zur letzten Minute

erschienen am 01.01.1994 von Ronald Glomb bei Volksblatt Berlin

Der aus Ungarn stammende, in Budapest geborene Autor. Schauspieler und Maler Gyula Molnar lebt und arbeitet seil 20 Jahren in Italien. Sein ungewöhnliches Solo-Programm „Piccoli Suicide — Kleine Selbstmorde" ist in der UFA-Fabrik zu sehen. Das hat den Charme und die Optik eines Flohzirkus. Gedacht und gemacht für ein kleines Publikum in einem ebenso kleinen Raum. Das UFO-Kino 2 mit seinen 30 intimen Plätzen ist da ein idealer Ort.

21.14 Uhr. In zwei Sätzen hat der 38jährige Molnar, verknautscht, mit melancholischen Augen, sein Programm präzise umrissen: "Zuerst werde ich zwei kleine Selbstmorde begehen — auf dem Tisch. Danach folgt eine Betrachtung über die Zeit." Das hört sich schrecklich komisch an. Was dann folgt, ist die ebenso eigenwillige wie skurrile Inszenierung von Miniaturen, gänzlich verblüffend, mit allereinfachsten Requisiten: Tisch, Tablette, Wasserglas.

Das tragikomische Wechselspiel zwischen dem pharmazeutischen Produkt und einem kichernden Haufen kunterbunter Bonbons nimmt seinen Lauf und überraschende Wendung. Kleinste Dinge entfalten ihr ungeahntes Eigenleben in Molnars hintersinnig infantilem Spiel, das eigentlich jeder Beschreibung spottet.
Tragisch auch die Liebesgeschichte zwischen dem dürren Streichholzschweden Jörg und der rundlichen Kaffeebohne Pita, die zweifelsohne brasilianische Staatsangehörige ist. In der Mühle zermalmt, im Kaffeesalz dann spurlos verschwunden — da entzündet sich am Ende das todtraurige Hölzchen in persona an der Schachtel.

"Mit der Zeit treibt- man keine Späße", verkündet Molnar, dann tut er das, sehr persönlich, poetisch-philosophisch und wunderbar chaotisch natürlich doch. Da erfahren wir, im Märchen von den kleinen Quarzuhren, daß die Zeit, während die Uhren schlafen, schließlich wird morgen früh geweckt, schnell verfliegt. Auch Molnars Zeit ist knapp bemessen: Uni 21.58 Uhr, gut getimed: verabschiedet er sich mit dieser Zeitansage.

Gefesselt hat uns dieser seltsame Ungaritaliener von der ersten bis zur letzten Minute. Da wandelt einer auf Solo-Pfaden, die noch nicht ausgetreten sind. Eine Insel der Erholung in der ozeanischen Flut, der so oft seelenlosen Großveranstaltungen in diesem Kulturstadtjahr.

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