Shakespeare im Zürcher Puppentheater
erschienen am 04.03.2000 von bei Neue Züricher Zeitung
tin. Der Tod mit seinem schaurig-prächtigen Hofstaat hat im Zürcher Puppentheater Einzug gehalten. Seit Donnerstag ist dort «Exit. Eine Hamlet-Phantasie», die preisgekrönte Figurentheatercollage von Michael Vogel und Charlotte Wilde aus Stuttgart, zu sehen. Was die beiden in einer guten Stunde an morbider Phantasie zur Schau stellen, ist so verblüffend lebendig wie hinreissend gruselig und geistvoll sprühend. Aus einem Kistchen holt Vogel zu Beginn zwei filigrane Figürchen heraus, die zum Dialog zwischen Polonius und Hamlet ihre Gliedchen strecken, ihre Köpfchen recken. Dann poltert ein Erzähler auf die Bühne, eine spitznasige Handmaske, die die Shakespearesche Tragödie vom dänischen Prinzen zusammenfasst. Vogel wieselt als Hamlet auf der Bühne umher und kramt aus gruftartigen Luken nach und nach dessen Mitstreiter hervor:
Gertude lässt er aus einem Häufchen Stoff, Gebein und Larve zu einer lebensgrossen traurigen Königin erstehen; Claudius plustert sich von der grinsenden Handpuppe zur stoffgewaltigen Riesenfigur auf; Ophelia schliesslich umschwebt als Totenmaske mit Zittergrashaar den ungestümen Hamlet und entlockt nicht nur ihm, sondern auch der E-Gitarre, deren Saiten Charlotte Wilde sonst der Szenerie angemessen leidenschaftlich bis wütend anschlägt, kurzzeitig auch versonnene Töne. Alles in allem bietet die Hamlet-Phantasie "Exit" an Einfallsreichtum und dynamischer Umsetzung ein Äusserstes von dem, was Figurentheater heute sein kann.