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Hysterische Gebärmütter

erschienen am 17.06.2019 von Brigitte Jähnigen bei StZN

Der Wahnsinn war weiblich. Tausende Frauen wurden im 19. Jahrhundert in Nervenheilanstalten eingewiesen. Ihre Diagnose hieß Hysterie, Verursacherin war angeblich die Gebärmutter. Ovarienpressen und Elektroschock kamen zum Einsatz. Bekannt wurde die junge Augustine. Als Fallbeispiel wurde sie in der Pariser Salpetrière der skandalhungrigen Öffentlichkeit vorgeführt. In einem dreiteiligen Objekt- und Bewegungstheater experimentierten am Wochenende im Stuttgarter Figurentheater vier Künstlerinnen mit den abstrusen Gedanken über weibliche Identität.

Wie eine Raupe kriecht Iris Keller unter weißen Reifröcken über den Bühnenboden. Es ist die Gebärmutter, die hier zu blubbernden Geräuschen wandert. Ein Wesen von obsessiver Art, das sich von Sperma nährt. Bleibt es hungrig, zeigt es seine launische Seite, verstopft Atemwege und Gehirn. Später wechseln Iris Keller und Hanna Malhas die Reifröcke gegen synthetische Laborkleidung, befeuchten Seifen, ein hemmungsloses Drauflosschäumen beginnt. Mit übersteigerten Bewegungen werden die ovalen Objekte in penisähnliche Streckungen gebracht. Julia Döbele begleitet das Experiment mit Wort und Gesang. Bilder auf einem Monitor erinnern an sonografische Abbildungen. Überbordend und skurril ist die Fantasie von Angèla Kopf, die an der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst den Figurentheater-Studiengang absolviert hat. Sie ist für die Texte, Zeichnungen und Objekte verantwortlich.

(bj). Auch im dritten Teil schonen sich Iris Keller und Hanna Malhas nicht, „das Ureigene des weiblichen Geschlechts“ auf der Bühne zu performen. Julia Döbele gibt Kommandos, die beiden Figurenspielerinnen setzen sie in bizarre Bewegungen um – bis hin zum angedeuteten Missbrauch. Antwort auf die Fassungslosigkeit gibt Julia Döbele mit der Bach-Arie „Bist du bei mir, geh ich mit Freuden zum Sterben und zu meiner Ruh’“ – ein Requiem für die Opfer medizinischen Wahnsinns. Das Publikum versteht und applaudiert.

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