Wie ausgemusterte Gegenstände Spielerin Antje Töpfer im Lindenfels Westflügel zu wunderbarem Theater verführen
erschienen am 20.02.2016 von Steffen Georgi bei Leipziger Volkszeitung
Es waren nur wenige Zuschauer im Westflügel erschienen, als dort am Donnerstag ein – so schön steht es in der Ankündigung – „Triptychon des Eigensinns“ zu bewundern war. „3 Akte“ heißt schlicht die Inszenierung; eine Koproduktion mit dem FITZ! Figurentheaterzentrum Stuttgart und der Schaubude Berlin, die so etwas wie eine künstlerische Resteverwertung, ein Dazuholen des Zurückgebliebenen versucht. Vorstellen muss man sich das so: Antje Töpfer (Spiel, Ausstattung) erinnerte sich vergangener Inszenierungen und darüber all der Materialen und Objekte, vielleicht auch der Ideen oder der Bruchstücke der Ideen, die diesen Materialen/Objekten zugrunde lagen und die sich einst während der Proben als unbrauchbar für die jeweilige Inszenierung erwiesen. Und somit im kreativen Selektionsprozess ausgesondert, ihrer Bestimmung eben nicht zugeführt wurden. Nun sind allerdings diese Materialien eigensinnig genug, um doch noch auf sich aufmerksam zu machen. Auf ihre Existenz und den Sinn ihrer Existenz (nämlich Spiel zu werden) beharrend, schaffen sie in „3 Akte“ den Weg aus dem Dunkel ins Rampenlicht.
Eine Auferstehung, eine Wiederkehr, eine Neuschöpfung: Ein Bild dafür findet Töpfer gleich zu Beginn, wenn sie mit einem Besen den Staub der Bühne zu einem kleinen Häufchen zusammenkehrt und daraus Spuren vergangener Westflügel-Aufführungen klaubt. Irgendwas bleibt immer, erzählt das. Mag beruhigend wirken. Nur, dass das wenig später konterkariert wird, wenn Töpfer das japanische Schriftzeichen für das ewige Verschwinden, für das Nichts („Mu“ im Japanischen) als Kalligraphie mit feuchtem Wischmob auf den Boden malt. Und dann erst einmal nichts eben mehr macht, als, gleichsam mit dem Publikum, still zuzuschauen wie dieses Schriftzeichen verschwindet. Wie es im fahlen Licht wegtrocknet, spurlos ins Nichts.
Allein dafür hat sich die Inszenierung schon gelohnt. Doch „Mu“, das Nichts, hin oder her: Besagte Materialen beharren weiterhin auf ihr Erscheinen und sie tun das dann in jener eigentümlichen Magie eines Theaters, das nichts vorgaukelt, sondern alles offenlegt und gerade darin verwirrt. Da ist ein Mantel, der, groß und autonom, ein Eigenleben beginnt. Der Töpfer erst birgt, dann eher verschlingt. Mit dem sie tanzt und der mit ihr tanzt. Und einen Tanz vollführt dann auch dieses Tiermenschenwesen (Töpfer mit Eselsschädel), einen Shakespeare-Sommernacht-Knochenschädeltanz nämlich, morbide und erotisch, zu dem der live begleitende Musiker Christoph „Mäcki“ Hamann einmal mehr die stimmigen Sounds liefert mit Violine, Gitarre und elektronischen Bearbeitungen am Laptop. Fragmente des einst Zurückgebliebenen. Sie sind es, die sich in „3 Akte“ in gekonnter Selbstbehauptung zu einem Spiel neuverfügen (Regie: Stefanie Oberhoff), das konkret und fragil zugleich und von einem wirklich seltenen, weil stillen Humor ist. Und in dem sich dramaturgisch klug ein Kreis schließt und ein Kern verfestigt, wenn Töpfer schließlich noch eine ganz anders eigene Welt des Ausdrucks und der Formensprache schafft. Wenn sie mit den Mitteln japanischer Papierfaltkunst Objekte, Figurationen und Szenarien darbietet, denen etwas wunderbar Flüchtiges und genau darin Unvergessliches anhaftet.