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Simone Demandt, Angela Milosevic und Lisa Thomas

31. März 2021

TakeCareResidenzen Lisa Thomas

Lisa Thomas, Tänzerin und Choreographin, Stuttgart

Alte Puppe (AT)

"Alte Puppe" ist, vom Tanz ausgehend, eine intergenerative Recherche zur Kommunikation mit und durch den älteren und alten Körper. Durch die aktuelle Vorgabe, Abstand zueinander zu halten ist die tänzerische Praxis im Kern getroffen sowie die natürlich spontane Begegnung zwischen Generationen. Mittel des Materialtheaters sollen einen sinnlichen Zugang zu Themen der Risikogruppe herausstellen.


18.02.2021

1. Wie geht es deinem Projekt mit dir?

Also das Projekt ist zufrieden mit mir. Ich bin mir schon ziemlich auf den Pelz gerückt, sprich in die Nähe geraten! Und zwar in radikalerer Sichtweise als sonst: objektiv - nüchtern, radikal und zart.

Drei KünstlerInnen haben intensiv Anteil genommen, bzw. ihr Auge auf das Projekt geworfen und es war sehr angetan von dieser besonderen Aufmerksamkeit. Das Projekt hat mich auch entlastet, was die Beschaffung/Kauf von Material angeht. „Es hinge schon so diverses Material an mir dran“ (Ich finde dies etwas frech, aber pragmatisch!) also: das eigene Gewebe, ergänzt durch Wolle und Synthetik sowie ein geliehener dritter künstlicher Arm mit Hand.

2. Was hat dich in den ersten vier Wochen am meisten überrascht ?

Besonders überrascht hat mich die Verwandlungsfähigkeit meines Körpermaterials und die Perspektive darauf im Sinne eines Potentials sowie eine neue Liebe zu einem extrem unscheinbaren Rollkragenpullover!

Das Überraschende war auch, dass der künstlerische Zugang zu meinem Thema soviel Zeit mit einem Spiegel erforderte. In meiner Form von Tanzkunst haben Spiegel drei Jahrzehnte lang tatsächlich keine so große Rolle gespielt. Jetzt habe ich geguckt und geguckt, wie mit der Lupe, sezierend!

Das zweite Überraschende war der positive und selbstverständlich offene Austausch mit zwei Kolleginnen einer jüngeren Generation des Figurentheaters und einer Künstlerin aus dem Bereich Fotografie und Film. Sie machten mir das Geschenk einer wunderbaren Neugier, eines Blumenstraußes voller Arme und Bilder aus dem ersten Abschnitt der Recherche!

In meinem Thema: Nähe – Intimität - Berührung – Alter - Haut steckt etwas Schonungsloses im positiven Sinne. Die Frage, wie aktuell Ästhetik in der professionellen Tanzkunst älterer Darsteller*innen verhandelt wird, interessiert mich auf eine neue Weise dringlich!

3. Kannst du etwas beschreiben/zeichnen/fotografieren, das du in zweite Hälfte deiner Residenz mitnehmen würdest? Warum gerade dieses?

Ich nehme diese Aspekte von Berührung und Ästhetik mit in die nächsten vier Wochen und in den kollegialen Austausch.

Es gibt im professionellen Tanz im Gegensatz zur Performancekunst und Theater für alte DarstellerInnen nur eine sehr eingegrenzte Form von ästhetischer Darstellung. In dieser Richtung möchte ich den Körper und mein Material weiterhin interdisziplinär untersuchen hin auf die Aspekte von Berührung und Nähe und mit dem Wunsch, weitere Überraschungen zu erleben.

Interdisziplinärer Austausch mit Sarah Chaudon, Esther Falk: Figurentheater, Sabrina Schray: Video, Simone Demandt:  Fotografie

Abschluss, 29.03.2021

Intimität – Nähe – Berührung – Tanz und Material /Figur/Puppe

  1. Zum Thema des Potentials des alten Körpers hat die Stuttgarter Tänzerin und Choreografin Lisa Thomas zu Erscheinungsformen und Lesart von Fleisch und Gewebe recherchiert, wenn es durch Bewegung, Schwerkraft und Manipulationen wie z.B. Verschieben, Vibrieren verändert wird. Sie untersucht, welche Wahrnehmungsebenen entstehen und sich verschränken - die intime Ebene, die Ebene als Figur, die abstrakte Ebene durch verfremdete Anordnungen des Körperbildmaterials. Durch Self-Monitoring erkennt sie eine Abstraktion in Form, Farbe und räumlicher Wirkung von Körperpartien. Es entstehen plastische bewegliche Räume, Bühnenbilder.
  2. Lisa Thomas arbeitet mit körper- und hautnahem Material, z.B. Wollunterhemd, Schaffell und feinem beigen zerknittertem Papier. Das Material beschönigt die nackte Wahrheit des Körpers nicht, spielt mit Klischees, berührt den Körper der Performerin und berührt Zuschauende. Es ähnelt Haut und Haaren, verhält sich anders VIELFÄLTIG und erweitert das Thema. Neue intime Räume wachsen, die durch stilisiertes und altersfremdes Bewegungsvokabular gebrochen werden.
  3. Als Tänzerin und Choreografin entwickelt sie Strukturen und untersucht unter anderem die körperliche Selbst-Berührung, im Sinne einer selbstverständlichen Akzeptanz und den kreativen Umgang mit der Tatsache, Berührende und Berührte gleichzeitig zu sein. Sie experimentiert mit unterschiedlichen Tanzstilen und der künstlerisch großen Herausforderung in ihrer alten Haut allein den Raum zu füllen oder ihn im Duett mit einem jungen Körper zu teilen.
  4. Im figürlichen Arbeiten mit großen Puppenarmen zu den Themen: Intimität – Nähe - Berührung entsteht eine gegenseitige Bereicherung zwischen Bewegung und Figurenspiel in dem Feld, wie unterschiedlich lebendige und tote Arme/Hände das Thema umreißen und Möglichkeiten von „sicherer Berührung auf der Bühne erstellen.
  5. Interdisziplinäre Residenzgespräche mit Künstlerinnen aus Performance, Tanz, Film+Foto, Figurentheater erweisen sich für Lisa Thomas in regelmäßigen Abschnitten als wesentlich.
  6. Das FITZ in Organisation, Technik, Netzwerken ist ein künstlerischer Nährboden.
  7. Eine Bandbreite von Arbeitsergebnissen eröffnet ihr nun, einzugrenzen und klare Konzepte in theoretischer und praktischer Hinsicht zu entwickeln. Eine intuitive und ergebnisoffene Recherche war genau das Richtige.

www.lisa-thomas.de