Jan Jedenak, Figurenspieler, Performer, Regisseur, Stuttgart
Experimente zwischen Figurentheater und Akrobatik
Projektbeschreibung
In seinen Arbeiten versucht der Figurenspieler Jan Jedenak immer wieder die ästhetischen Mittel und Erzählweisen des Figurentheaters um Zugänge und Techniken aus anderen Genres zu erweitern. Für die Zeit seines Stipendiums setzt er sich mit den Techniken und Formsprachen von Akrobatik & Physical Theater auseinander. Im Spannungsverhältnis der reinen Kunststück Ästhetik der Akrobatik des Zirkus und der mehr erzählerischen modernen Strömung des Nouveau Cirque, der auch die Narration der körperlichen Virtuosität bedient, wird der Körper unterschiedlichen physisch extremen Situationen ausgesetzt. Auf diese Weise soll neues Körpermaterial entwickelt werden, dass rein im Dienst einer figuralen Erzählweise steht und nicht das Kunststück zum Selbstzweck gebraucht. Es soll eine Formsprache entwickelt werden, die den Körper in extrem artifizieller Weise verwandelt, um das Potential auszuloten, das man in seinen Möglichkeiten vielleicht sonst nur von der Puppe/Figur selbst kennt. Während des Stipendiums wird die Möglichkeit untersucht, ganz bewusst mit verschiedenen Körperbildern und Körperzustände zu arbeiten, die gewohnte Wahrnehmungsmuster und Perspektiven hinterfragen und auf scheinbar spielerische Art und Weise brechen. Ziel ist es die Freiheit der Imagination zu erproben und den menschlich beweglichen Körper dem spezifischen und spielerischen Kosmos auszusetzen, der entsteht, wenn dieser auf eine Eisenkonstruktion aus Poles trifft.
Zwischenstand / 16.01.2021
1. Wie geht es deinem Projekt mit dir?
Mein Projekt ist begeistert, wie ehrgeizig ich versuche es umzusetzen.
2. Was hat dich in den ersten vier Wochen am meisten überrascht?
Wie viel Geduld ich in diesen Zeiten mit mir und meinem Körper haben muss.
Beharrlich warten ist auch ein Prozess. Prioritäten und Fokus setzen, was gerade wirklich wichtig ist.
3. Kannst du etwas beschreiben/zeichnen/fotografieren, das du in zweite Hälfte deiner Residenz mitnehmen würdest? Warum gerade dieses?
Was ich in die zweite Hälfte mitgenommen habe, ist das Studium der Bewegungsqualität von einem Chamäleon übertragen auf die akrobatische Arbeit an den Stangen.
02.03.2021
Unter Verwendung von Chinese Pole Techniken wurden Körperbilder und Körperzuständen auf ihre verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten hin befragt. Statt den Fokus auf die Virtuosität des Kunststücks zu setzen, wurde versucht, diese in eine bildliche Narration zu überführen.
Dazu wurde mit verschiedenen Bewegungsqualitäten (plötzlich, allmählich, zart, flexibel etc.) gearbeitet, um herauszuarbeiten, bei welcher Qualität der Körper eine maximale Transformation erfährt, die ihn in einen figuralen/ figürlichen Zustand überführt. So wurde beispielsweise entdeckt, dass der Körper durch die Qualität von großer Langsamkeit bei der Durchführung des „akrobatischen Kunststücks“ eine maximale Aufladung und Transformation erfährt, da hier besonders das Spannungsverhältnis von Schwerkraft und Schweben (Leichtigkeit) zum Tragen kommt. Der Körper wird hier einer extremen physisch Situationen ausgesetzt, Zeit wirkt gegen Kraft, und es entsteht eine Figur, die den natürlichen Gegebenheiten zu widersprechen scheint. Darin wurde eine ganz eigene Formsprache erkannt, die den Körper in starker artifizieller Weise verwandelt und ihn selbst zur Figur/Kreatur macht. Auch wurde der Umgang mit dem Material Eisenstangen (Poles) untersucht. Wie findet die Kontaktaufnahme und die Lösung des organischen Körpers in der Konfrontation mit dem industriell hergestellten Eisen statt?
Der fast nackte Körper des männlichen Performers wurde also dem Eisen der Poles ausgesetzt. Dieses Spannungsverhältnis evozierte die Auseinandersetzung mit stereotypen und toxischen Körperbildern, die vor allem im Bezug auf Männlichkeit gesellschaftlich immer wieder reproduziert werden. Hier gilt es, in einer weiteren oder vertiefenden Arbeit, diese Bilder aufzubrechen und kritisch zu hinterfragen. Eine Perspektive könnte sein, die Fragilität und das beständige Versuchen und Scheitern dieses männlichen Körpers herauszuarbeiten. Virtuosität vs. Fragilität.